Das Feuer von Konstantinopel
Honigbrote...!“, säuselte er und trug den Jungen mit sicherem Griff durch die schummerigen Gänge, hinaus ins Licht, nach oben, vorbei am Radau der ‘Neuen Welt’, hinein in die Wohnung von Watzke, wo ein sauberes duftendes Bett wartete.
Auch Felix war mittlerweile oben angekommen. Im Zimmer von Fräulein Romitschka. Unbemerkt von den Polizisten, die unten im Haus immer noch lärmend ihre Marschmusik übten, hatte er es bis unters Dach geschafft, bis zur blauen Reisetasche. Doch die Tasche war leer. Felix stülpte sie um. Er begann das Innenfutter aufzureißen. Aber den Plan des Kaiserlichen Schlosses konnte er nirgends finden. Jemand musste ihn herausgenommen haben. Verzweifelt suchte Felix noch einmal die Tasche sorgfältig ab. Er konnte es einfach nicht glauben, dass sie leer war. Oder hatte ihn der Kardinal belogen?
„Suchst du das hier, du Lümmel?“
Felix sah von der Tasche auf und traute seinen Augen nicht. Er hatte niemanden kommen hören.
„Fräulein Romitschka, bitte, verstehen Sie doch...!“, flüsterte er.
Fräulein Romitschka schwenkte mit einer Hand den Plan des Kaiserlichen Schlosses durch die Luft, mit der anderen umklammerte sie ihren Regenschirm wie eine Waffe. Sie war zu Kampf bereit.
„Kannst du auf Händen gehen?“, wollte sie wissen.
„Ja!“, antwortete Felix verwirrt. Wer rechnet schon mit einer solchen Frage in so einer Situation?
„Na dann los, wird’s bald! Auf die Hände mit dir!“, befahl Fräulein Romitschka schroff.
Ganz langsam begab sich Felix in einen Handstand. Den Plan ließ er dabei nicht aus den Augen, auch wenn die Welt für ihn nun auf dem Kopf stand.
„Immer schön im Kreis gehen, du Gauner!“, verlangte Fräulein Romitschka jetzt.
Wie ein dressiertes Tier trippelte Felix im Handstand durch das Zimmer. Von unten rumpelte die Marschmusik dazu. Es war wirklich wie im Zirkus.
„Ich bin gespannt, wie du das dem Kaiser erklären wirst. Jeden Augenblick kann er hier sein!“, fuhr Fräulein Romitschka fort, ohne sich von der Stelle zu rühren. Nur ihr Blick wanderte nervös zur Tür, durch die sie das Auftauchen von Hilfe zu erwarten schien.
„Ich bin Felix von Flocke, erkennen Sie mich denn nicht mehr?“, fragte Felix und ging weiter auf seinen Händen im Kreis.
„Was weißt du schon, wer du bist!“, antwortete Fräulein Romitschka mit Bitternis in der Stimme. Felix hatte den Eindruck, für sie sei eine Welt zusammengebrochen.
„Hierher, Männer!“, rief Fräulein Romitschka durch die angelehnte Türe in den Flur hinaus. Doch vergeblich, bei dem Lärm hörte sie niemand.
‚Sie ist verrückt geworden!’, dachte sich Felix und das Blut pochte in sämtlichen Adern an seinem Kopf.
Ohne ein weiteres Wort biss Fräulein Romitschka in das wertvolle Papier und fing an, es zu kauen und hinunterzuschlucken, als wäre es französisches Weißbrot.
Mit einem Mal war Felix wieder auf seinen zwei Beinen und versuchte, Fräulein Romitschka den Plan aus der Hand zu reißen. Die jedoch wehrte sich und schlug mit ihrem Schirm tapfer um sich, als würde sie ein Schwert führen. Nur unter äußersten Mühen gelang es Felix, noch einen letzten Fetzen der kostbaren Zeichnung zu erwischen.
Derweil hatte die Musik längst aufgehört zu spielen. Von unten stürmten Polizisten die Treppe hinauf in das Zimmer. Felix blieb nur die Flucht. Mit einem Sprung aus dem Fenster rettete er sich vor seinen Verfolgern und entwischte über das Dach des Nachbarhauses.
Kloppke, den immer noch die Tuba umarmte, betrat nun ebenfalls den Raum.
Fräulein Romitschka würgte an dem letzten Bissen Papier, hob aber die Hand zum Zeichen, dass sie sprechen wollte, und stotterte:
„Lassen Sie, lassen Sie... ich weiß, wer er ist. Ich kenne ihn. Es ist Felix von Flocke. Allmächtiger, er ist ein Verbrecher geworden... Na ja, was wussten wir schon von seiner Herkunft? Seine wahren Eltern hat ja kein Mensch gekannt...!“
Sie hielt sich zitternd vor Aufregung an Kloppke fest, die Tuba wie eine eifersüchtige Riesenschlange aus Blech zwischen ihnen.
„Ein Glas Wasser bitte... Dieses Papier schmeckt scheußlich... es schmeckt nach süßen Datteln! Zu komisch aber auch...“, stammelte Fräulein Romitschka.
Fünf Polizisten liefen augenblicklich los, um ein Glas Wasser für die arme Frau zu holen.
„Wir kriegen ihn schon, den Bengel!“, donnerte Kloppke los. „Aber um was in aller Welt ist es denn überhaupt gegangen?“
Fräulein Romitschka fasste sich an ihren Kopf. Er
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