Das Feuer von Konstantinopel
schmerzte.
„Er hat mir einen Schlag versetzt!“, sagte sie.
Kloppke ahnte nichts Gutes.
„Geht es Ihrem Köpfchen gut?“, wollte er mitfühlend wissen.
„Das ist von untergeordneter Wichtigkeit, mein Lieber!“, befand Fräulein Romitschka tapfer. „Wir müssen den Kaiser verständigen. Und zwar sofort!“
Traurig befreite sich Kloppke von der Tuba und stellte das Instrument in eine Ecke. Er sah Fräulein Romitschka mit großen Augen an. Ihm war ganz schwer ums Herz.
Fräulein Romitschka schien ihn zu durchschauen.
„Und halten Sie mich bitte nicht für verrückt!“ fuhr sie bei seinem Anblick fort.
„Keineswegs, meine Liebe. Wie käme ich denn dazu? Nehmen Sie einen ordentlichen Schluck Wasser und legen Sie sich fünf Minuten hin. Wir kümmern uns schon um den Fall!“, antwortete der Hauptwachtmeister und versuchte möglichst zuversichtlich zu klingen.
„Dieser entsetzliche Lärm da unten muss ein Ende finden!“, forderte Fräulein Romitschka, nachdem der erste Schluck Wasser seine Wirkung tat und sie von dem würgenden Gefühl befreite.
„Selbstverständlich. Die Musik ist vorbei. Kommen Sie erst einmal zur Ruhe“, beschwichtigte Kloppke das aufgebrachte Kinderfräulein.
Leise zogen die Polizisten ab und ließen Fräulein Romitschka alleine.
„Achtet auf sie!“ bat Kloppke seine Kollegen, als alle im Treppenhaus versammelt waren.
„Ist es denn so schlimm?“, wollte einer der Polizisten wissen. Kloppke zuckte nur ratlos mit den Schultern. Jede Treppenstufe war ihm schwerer zu gehen.
„Meine Herren, noch etwas!“, ertönte es plötzlich von oben. Fräulein Romitschka stand in der offenen Türe wie Nemesis, die Göttin der Rache und der gerechten Vergeltung. Sie erhob ihre Stimme erneut:
„Finden Sie diese sprechende Krähe. Sie kennt die ganze Geschichte. Verhaften Sie sie! Sperren Sie sie ein! Danke vielmals. Vielen Dank auch!“
Dann verschwand sie wieder in ihrem Zimmer. Die Türe fiel ins Schloss. Ihr Auftritt war vorüber. Ende der Vorstellung. Fräulein Romitschka hinterließ ein ratloses Publikum.
Kloppkes Augen füllten sich mit Tränen, sein Herz quoll über vor Liebe.
„Es steht um sie vielleicht noch viel schlimmer, als wir alle glauben!“, flüsterte er seinen Männern zu und schnäuzte sich leise die Nase.
14.
Ach, die Schlacht des Lebens. Sie tobt unermüdlich. Stunde um Stunde, Tag für Tag, jahrein, jahraus. Früher hörten die Menschen den Weissagungen der Kinder zu. Sie sollten Klarheit schaffen. Man vertraute ihnen wegen ihrer reinen Herzen. Zauberbücher schwärmten von der Macht, die Kinder besitzen, wenn es darum geht, die herrlichen Schluchten und die kristallklaren Wasserfälle zu durchqueren, die uns die graue Wirklichkeit versperrt. War das alles umsonst, vergebens?
Heute sollen Kinder Gedichte aufsagen oder auf dem Klavier vorspielen. Ihr Leben ist wie ein Weihnachtsgeschenk, das sie schon kennen. Sie sollen sich über etwas freuen, das ihnen längst zum Hals heraushängt. Deshalb werden sie bei jeder Gelegenheit verdächtigt, faul zu sein – wenn sie Glück haben.
Die anderen rackern sich ab. Sie verkaufen Zündhölzer, schleppen Fahrgästen Taschen und Pakete zur Straßenbahn, gehen bei Regen vor den Theatern auf die Suche nach Kutschen für die Besucher oder ziehen schwere Schubkarren über den Gemüsemarkt, während alle anderen noch schlafen. Angst kennen sie nicht.
Esther war zuhause. Behutsam bettete sie ihre Geige in den mit dunkelblauem Samt ausgeschlagenen Geigenkasten. Es war ein Moment tiefer Ruhe für sie und sie erinnerte sich zurück...
Das Instrument hatte einmal ihrem Großvater väterlicherseits gehört, der einst in einem berühmten Orchester spielte. Bis zu dem Tag, an dem er vor Angst nicht mehr aus dem Haus ging, weil die Kinder auf der Straße Steine nach ihm warfen, wenn sie ihn mit seinem Geigenkasten sahen.
Sie riefen immer wieder:
„Samuel Silberstein ist zum Arbeiten zu fein...!“
Er hatte keine Angst vor den ungezogenen Kindern, wie ihr jetzt vielleicht denkt. Nein, er bekam plötzlich Angst vor sich selbst. Denn eines Tages hob er einen von den Steinen auf, die ihm gegolten hatten, und warf ihn wütend zurück. Dieser Stein traf eines der Kinder am Kopf und es rannte schreiend und blutend davon. Das brach dem alten Samuel das Herz. Gott hatte ihn so weit gebracht, Kindern mit Steinen die Köpfe einzuwerfen. Was verlangte er da von ihm? Das war zu viel für seine gerechte Seele.
Am
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