Das Feuer von Konstantinopel
ausgestattet mit Kleidern und Fräcken...! Denk’ an die Schlacht von Zeilig, Jacob, die Siegesfeier, ein Triumph für uns, der Herr ist unser Zeuge... die Stofflieferanten in Manchester kamen gar nicht mehr nach mit den Lieferungen... Schiffe wurde beladen...! Und jetzt ihr drei Hungerkünstler... wäre doch gelacht!“, sabbelten die beiden durcheinander, sodass es unmöglich war, herauszuhören, welcher der beiden gerade sprach.
„Setzt uns bloß keine Flöhe in unsere Sachen!“, warnte Meister Jacob Baptist und hob drohend den Zeigefinger in die Luft.
„Das mögen wir nämlich gar nicht!“, setzte Meister Simon nach und drehte Esther wie einen Kreisel.
„Ach, so ein hübsches Mädele!“, sagten die beiden Männer gleichzeitig und verschwanden zwischen den Kleiderbergen, auf der Suche nach einer angemessenen Garderobe für die drei Besucher.
‘Ob die da jemals wieder herausfinden werden?’, fragte sich Felix.
Aber Felix und Baptist hatten nicht nur neue Kleider bekommen. Frau von Waldburg lieferte die beiden auch beim Hoffrisör ab. Mit großen Gesten stellte der sich als Jean de Carcanac, kaiserlicher Hofcoiffeur, vor. Sein Gesicht war vor lauter Puder ganz mehlig. Er platzierte die Jungen vor einem großen Spiegel, bevor er erst einmal verschwand, nicht ohne eine Wolke aus Parfüm zu hinterlassen.
Felix sah Baptist im Spiegel an.
„Findest du, dass wir uns ähnlich sehen?“, fragte er.
„Was bildest du dir ein?“, fragte Baptist zurück. Damit war das Gespräch beendet.
Als der Coiffeur kurz darauf zurückkehrte, roch er noch mehr nach Parfüm und schwang eine Schere in seinen Fingern. Damit war die Verwandlung von Felix und Baptist in zwei hoffähige Jünglinge nicht mehr aufzuhalten.
Frau von Waldburg holte die beiden gerade noch rechtzeitig aus dem Inferno des Schönheitssalons, denn de Carcanac setzte an, auch Felix und Baptist mit Parfüm zu überschütten. Das war den beiden dann doch zuviel. Noch blasser als blass wich der Hoffrisör vor den sich wehrenden Jungen zurück und protestierte bei Frau von Waldburg, dass er sein Werk nicht habe vollenden können. Er bat die Kaiserin schon jetzt vorsorglich um Verzeihung.
Frau von Waldburg beschwichtige den Mann, so gut sie konnte.
In einem der herrschaftlichen Räume trafen Felix und Baptist wieder auf Esther und den Kardinal. Frau von Waldburg ließ die vier alleine.
„Alles kommt auf dich an!“, zischte der Kardinal Felix nervös zu. „Versuche herauszufinden, wo der Rubin ist.“
Dann wandte er sich zu Baptist.
„Und du, Baptist... sorge dafür, dass mein Einfluss bei der Kaiserin wächst, dass meine Macht größer wird. Sei heute...!“
Weiter kam er nicht. Denn es öffnete sich die Türe und Frau von Waldburg trat in Begleitung von Erna Klimovskanowa ein.
„Die Kaiserin ist überglücklich über den Besuch der Kinder. Und den jungen Felix konnten sie auch mitbringen! Welche Freude!“, flötete die Opersängerin ohne den Kardinal auch nur einmal anzusehen.
Sie legte ihre Hände auf Felix’ Schultern und sprach: „Du hast heute eine ganz besondere Aufgabe, mein Junge. Frau von Waldburg wird dich jetzt mitnehmen. – Die anderen folgen bitte mir!“ Sie drehte sich zum Kardinal und lächelte ihn mit einem unechten Bühnenlächeln an.
15.
Land in Sicht! Und das schon seit einer kleinen Ewigkeit. Aber das Schiff legt nicht im Hafen an. Was ist da los? Wie nervös alle plötzlich an Deck auf und ab laufen! Als hätte man ihnen heimlich die Geldbörse gestohlen und nun wird vergeblich nach dem Dieb gesucht. Er muss noch unter ihnen sein. Jeder verdächtigt jeden, Schuld am Stillstand der Zeit zu haben. Und Zeit ist Geld, heißt es doch so schön. Aber Zeit machen die Menschen. Sie wächst nicht auf Bäumen oder kommt als Regen über uns. Es gibt sie nicht wirklich. Ein Dichter schrieb einmal vom „Unendlichen ohne Namen“ – meinte er damit die Zeit?
Noch ist dieses Schiff alles, was wir haben. Es trägt uns über das Wasser des Bosporus und beschützt so unser Leben. Gold und Edelsteine täten das nicht, denn sie wecken die Gier nach Reichtum und Macht. Sie sind die Spuren des Verderbens quer durch die Geschichte der Menschheit.
Frau von Waldburg hat te die Aufgabe, Felix dem Prinzen vorzustellen. Die beiden standen einander gegenüber. Der Prinz schwieg und lächelte. Er war vorsichtig. Felix erkannte, dass der Junge das einsamste Kind auf der ganzen Welt war, auch wenn Frau von Waldburg nie von
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