Das Feuer von Konstantinopel
bemüht, möglichst wenig Aufsehen bei den anderen Gästen zu erregen, die die Treppe kreuzten.
„Ich bin zutiefst betrübt darüber, wie erbost Sie sind. Bitte glauben Sie mir, ich kann mir nicht erklären, wovon Sie sprechen. Aber ich werde mich natürlich Ihren Wünschen beugen. Ich würde mich jedem Ihrer Wünsche beugen...“, antwortete der Kardinal demütig und verneigte sich.
„Genug damit! Verlassen Sie nun endlich das Schloss!“, befahl Erna Klimovskanowa und wollte die Treppe hinaufeilen.
„Nur eines noch...!“, rief ihr der Kardinal nach.
Die Sängerin blieb stehen. Voller Verachtung blickte sie auf den Kardinal herab.
„Baptist ist kein Spielzeug, das man hin und her werfen kann, wie es einem gerade passt. Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, und er hat eine Seele. Eine ganz außergewöhnliche Seele. Kommen Sie, wir werden ihm gemeinsam erklären, warum ich gehen muss. Es wird keinen Skandal geben, dafür bürge ich mit meinem Ehrenwort. Kommen Sie, bitte... den Kindern zuliebe.“
Wieder streckte der Kardinal Erna Klimovskanowa den roten Handschuh hin. Sie zögerte, wollte aber auch keine weiteren Fehler mehr begehen.
„Also gut. Unter einer Bedingung: Ich spreche mit Baptist, und Sie halten sich im Hintergrund.“
„Ihr Wunsch ist mir Befehl!“, antwortete der Kardinal.
Dann schritt er voran, und die Sängerin folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
„Nehmen wir doch die Abkürzung über den Schlosshof!“, schlug der Kardinal vor, als sie die großen Flure erreicht hatten.
„Schweigen Sie und gehen Sie voran!“, herrschte ihn Erna Klimovskanowa mit zorniger Stimme an.
Der Kardinal öffnete die schwere hohe Türe und die Sängerin folgte ihm arglos ins Freie.
Tief hing der kolossale Mond am Nachthimmel. Kühl strahlte er auf die Erde. Die schwarze Kutsche stand auf dem Hof, jederzeit bereit für einen Einsatz. Der Kutscher striegelte in aller Seelenruhe die schwarzen Pferde. Verschwörerisch traf sich sein Blick mit dem des Kardinals.
„Was hat Ihnen Felix von Flocke denn so alles erzählt?“, wollte der Kardinal mitten auf dem dunklen Hof plötzlich von Erna Klimovskanowa wissen. Seine Stimme klang nun nicht mehr unterwürfig, sondern gefährlich und böse. Er war stehen geblieben.
„Ich hatte Sie gewarnt, dieser Junge ist verrückt. Er fantasiert sich die übelsten Geschichten zusammen! Wie konnte ich nur so dumm sein und auf Sie hören? Hätte ich ihn doch niemals hierher mitgebracht“, fuhr er vorwurfsvoll fort.
„Unterstehen Sie sich, mich zu bedrängen!“, wehrte sich die Sängerin. „Geben Sie mir auf der Stelle das Siegel der Kaiserin zurück!“
Sie war in der Dunkelheit schwer zu erkennen, dennoch begriff der Kutscher sofort, als er die Kopfbewegung des Kardinals sah. Dieses unscheinbare Nicken galt ihm, dem getreuen Handlanger. Er fasste in seine Manteltasche und zog ein kleines braunes Apothekenfläschchen mit Chloroform hervor. Geschickt öffnete er den Verschluss und tränkte den Lappen, den er eben noch zum Blankreiben der Riemen benutzt hatte, mit der betäubenden Flüssigkeit.
Erna Klimovskanowa begriff, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
„Gott steh’ mir bei, Sie haben mich in eine Falle gelockt!“, hauchte sie, atemlos vor Verzweifelung.
Blitzschnell drückte ihr der Kutscher von hinten den Lappen ins Gesicht. Die Sängerin rang für einen Augenblick nach Luft, ihre Hände streckten sich verzweifelt Richtung Mond. In der Ferne blies die Polizeikappelle für die Ballbesucher ein lustiges Lied, zu dem die Gäste fröhlich einen Text sangen und wie Kinder in die Hände klatschten.
‚Die Tuba, sie spielt völlig falsch’, blitzte es ihr noch durch den Kopf. Dann ging in ihrem Inneren das Licht aus. Ihr Kopf fiel ohne Halt zur Seite. Sie war ohnmächtig.
„Fass’ sie vorsichtig an!“, raunzte der Kardinal dem Kutscher zu. „Rasch! Fessle sie. Und vergiss den Knebel nicht. Versteck’ sie in den Stallungen. Ich beeile mich. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo der Stein ist. Also halte die Kutsche abfahrbereit!“
„Aber was ist mit den Wachen...?!“, stotterte der Kutscher.
„Lass das meine Sorge sein. Niemand kann uns aufhalten. Ich habe das Siegel der Kaiserin. – Jetzt los, wir dürfen keine Zeit verlieren. Und wehe, du krümmst ihr auch nur ein Haar!“ Der sehnsüchtige Blick des Kardinals ruhte auf der leblosen Sängerin in den Armen des groben Kutschers. „Ich will sie singen hören, verstehst du? Noch
Weitere Kostenlose Bücher