Das Feuer von Konstantinopel
was ich weiß!“, jammerte Baptist.
„Hör’ auf, so zu reden. Es gibt einen Ausweg. Aber zuerst musst du dem Prinzen helfen. Er hat es verdient! Wir haben mit Schuld an seinem Zustand!“, rief Felix.
„Ich bin nur ein kleiner Dieb und ein dummer Prophet, aber kein Wunderheiler.“
„Versuche es wenigstens!“, bat Felix. „Denk an die Geige von Esther. Hörst du sie?“
„Nein!“, antwortete Baptist.
„Aber hör’ doch nur. Es scheint ihr gut zu gehen.“ Felix lächelte.
Baptist schloss die Augen. Es war ihm wirklich so, als würde er die Geige hören.
„Dieses Leben ist jetzt zu Ende. Wir werden nie wieder zusammen in der ‘Neuen Welt’ auf der Bühne stehen“, sagte Baptist leise, als wollte er die Musik nicht stören.
„Also hörst du sie doch!“ Felix war froh. „Baptist, rette das Leben des Prinzen, bitte, versuche es!“, flehte er.
„Niemand ist mehr da. Alles sind sie fort. Der Kardinal ist tot, Madame Dolly ist tot. Das Hotel Giraffe war mein Zuhause, verstehst du? Auch wenn es für die anderen der schrecklichste Ort der Welt war.“ Baptist öffnete seine Augen. „Blut und Feuer besiegen nicht die Ungerechtigkeit in dieser Welt. Glaube mir, Felix!“
„Ja, ich glaube dir“, antwortete Felix leise. Er wollte Baptist nicht aus seinem Gedankenfluss bringen. „Sprich weiter...!“
„Er leidet an der Seele, nicht an seinem Körper...!“ Baptist wurde auf einmal wach. „Wer gibt mir meine Welt zurück?“, fragte er verzweifelt.
Felix kniete sich zu ihm.
„Auch ich habe meine Welt verloren. Wir sitzen im gleichen Boot, du und ich!“
Baptist griff nach der Hand von Felix.
„Sag ihm, er soll seinen Wunsch in eine Glas Wasser sprechen und dann trinken. Vielleicht hilft es ihm!“
Felix sah Baptist überrascht an, er fand keine Worte.
„Mehr kann ich nicht für ihn tun. – Es ist wie eine zweite Taufe, verstehst du?“, setzte Baptist nach, als er den ungläubigen Blick in Felix’ Augen sah.
Felix verstand gar nichts. „Es klingt völlig verrückt, aber ich werde es ihm sagen.“
Felix war wieder auf den Holzbalken geklettert. Das Abdecktuch an der Wand hatte er zur Seite gelegt und blickte nun wieder in das Zimmer des Prinzen. Er fing an, mit den Fingernägeln an die Mauer zu kratzen, wie eine Katze.
Giacomo, der immer noch am Bett des Prinzen saß, vernahm das Geräusch. Er wusste gleich, was das bedeutete, und wandte seinen Blick zu dem riesigen Gemälde, einer dunklen Landschaft mit Schafen und Kühen. Das Auge von Felix hatte er schnell entdeckt.
Unter Entschuldigungen erhob sich der Harlekin und begab sich unauffällig zur Wand. Als er sicher war, dass die anderen im Raum ihm keine Beachtung mehr schenkten, legte er sein Ohr an das Bild.
„Es klappt!“, rief Felix mit leiser Jubelstimme Baptist zu.
Dann legte auch er sein Ohr an die Mauer und begann zu sprechen.
„Wenn du mich hörst, dann gib’ Zeichen!“, flüsterte Felix zur Wand.
Gleich darauf hörte auch er ein Kratzgeräusch.
Felix räusperte sich und versuchte so deutlich wie möglich zu sprechen: „Er soll seinen Wunsch in ein Glas Wasser sprechen und dann das Wasser trinken. Es hilft!“
Der Prinz lachte in seinem Bett matt auf.
„Was lauscht du denn an der Wand, Giacomo?“
„Hoheit muss ein Glas Wasser trinken, rasch, rasch...!“, antwortete Giacomo und versuchte so vergnügt wie möglich zu klingen.
Es war der Wiener Arzt und Pathologe Franz Schladerer, der sich sogleich um den toten Kardinal kümmerte. Wer ihn benachrichtigt hatte, warum er auf dem Ball der Kaiserin war, war unbekannt.
Niemand schöpfte auch nur den geringsten Verdacht, denn Schladerer war einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit und das Verbrechen war sein Spezialgebiet. Ohne Zögern willigte die – wegen der Sorge um ihren Sohn völlig verzweifelte – Kaiserin ein, dass der Professor – immerhin ein Gast auf ihrem Ball – den Körper des Kardinals zwecks wissenschaftlicher Versuche umgehend nach Wien bringen dürfe. Schladerer ordnete die Überführung in seine Heimatstadt augenblicklich und unverzüglich an. Und der tote Kardinal wurde samt Sarg in eine Kutsche verfrachtet, die sofort in die ferne Stadt aufbrach. Es gab bis jetzt niemanden, der auf die Idee kam, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte...
„Lebewohl, Sinan Khan!“, flüsterte Felix und betrachtete den türkischen Militärattaché durch die Wand.
„Lass’ uns endlich weitergehen. Wir müssen
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