Das Filmbett
saßen auf den
westlichen Stufen des Parthenons und sahen auf die Koren des Erechtheion
hinüber. Unter ihnen lag das weit ausgeuferte Athen — mangelhaft verdunkelt — im
Schein des vollen Mondes, weiß, grauschwarz mit fahlem Gelb dazwischen, wie
eine gespenstische pittura metafisica von Chirico, auf das Größenverhältnis der
»Alexanderschlacht« von Meister Altdorfer gebracht. Die Mädchen waren mit den
wenigen auf und ab gehenden Aufsehern allein, im Besitz eines Ausweises, der
sie zur Überschreitung der Ausgehvorschriften berechtigte.
In dieser nächtlichen Stunde von
unwirklicher, bizarrer Schönheit kam heraus, was sie beide verabscheuten, das,
was mit dem mißverstandenen Hakenkreuzsymbol zusammenhing: die ideologisch
verblasenen Hirngespinste eines seelisch verkrüppelten halbgebildeten Eiferers
und politischen Schwarmgeistes, eines irrationalen Mahdi, eines verkehrt
gepolten genialischen Demagogen. Irene erzählte von ihrem Vater, einem
pazifistischen Intellektuellen, der in KZ-Haft ein Leben führen mußte, das er
als unwürdig, nicht ohne Nachhilfe eines SS-Schergen, schließlich aufgab. Und
Helena beichtete, daß sie ihre theatralische Begabung der großen griechischen
Schauspielerin Papandreu verdanke, deren Verwandte sie sei und deren Mann der
keineswegs achsenfreundliche Politiker Georg Papandreu wäre. Und daß ihre
Folkloretruppe recht eigentlich ein vielfach verwendbares Instrument sei, um
praktische Widerstandsarbeit zu leisten. Daß sie mit ihm — wenn auch leider in
allzu geringem Ausmaß — einige der auferlegten Aufgaben erfülle.
Da war bei den erfreulich vielen
Gastspielen auf dem Lande und in der Region die Verteilung von Nahrungsmitteln
noch das wenigste, die Verteilung geheimer Waffenbestände über Meer und Gebirg
oder die Konzentration auf bestimmte strategische Punkte schon erheblich
schwieriger. Dies mußte vorsichtig und bedachtsam vollzogen werden und war
natürlich höchst gefährlich. Aber ein Tanz- und Gesangsensemble, zumal wenn es
von der Militärbehörde lizenziert war, schlüpfte leichter durch Checkpoints,
Wachtposten und Militärpolizeistreifen und hatte weniger Durchsuchungen zu
befürchten. Und Feinde seien ja auch nur Männer, meinte sie sybillinisch. Aber
die Hauptaufgabe sei letzlich das Schwierigste. Die jungen Soldaten und
Offiziere der zerschlagenen griechischen Armee, die nicht kapituliert hatten
und erbärmlich in Schlupfwinkeln in den kleinen Häfen, in Höhlen im Gebirge, im
Maquis hausten, zu sammeln, durch die Kontrollen zu schleusen und sie — zum
Beispiel als Sirtakitänzer einer Folkloretruppe bei Gastspielen — in einem
komplizierten Inselhüpfen aus dem Land zu bringen, bis sie Gelegenheit fanden,
nach Kairo zu gelangen, um sich dort in die bereits ruhmreiche Exilarmee
einreihen zu können, etwa in die »Gebirgsbrigade« oder in das »Heilige
Bataillon«. Was jedenfalls ehrenvoller sei als eine Deportation zur
Zwangsarbeit nach Deutschland, die ihnen drohte.
Das alles sah Irene, die
pazifistische Kämpferin, sofort ein und begeisterte sie. Praktisch und
realistisch wie sie war und mit methodischem Geist und der weiblichen
Naturbegabung zur Konspiration, erkannte sie fantastische Möglichkeiten.
Natürlich konnte ihr vergrößertes Ensemble eine personell erweiterte
Organisation verkraften. Tüchtige junge Männer vermochten als Bühnenarbeiter,
zusätzliche Musiker, Reiseleiter, Quartiermacher, Hilfsbeleuchter eine
Scheinanstellung finden, ohne Argwohn zu erregen. Selbst der rasche
zweckbedingte Personalwechsel in diesen untergeordneten Positionen ließe sich
mit vielen Gründen erklären.
Helena blieb skeptisch. Wie wollte
Irene das alles hinkriegen, sie, eine bessere Huppdohle, als Käpt’ngirl nur bei
ihrer eigenen kleinen Mädchengruppe bedingt bevorrechtet... Und dann wäre ja
noch dieser seltsame Typ von einem Tourneeleiter da, bei dem man nie wußte,
woran man war...
»Das ist leichter als du denkst«,
entgegnete Irene. »Stell mir einige deiner Mädchen ab, die sich mit unseren
männlichen Solisten beschäftigen können, sie werden uns schon verdammt lästig,
und wenn du den jungen hübschen Miltiades auf unseren Tourneeleiter ansetzt...
ich habe die Neigung dieses Herrn, die in Deutschland lebensgefährlich ist,
unlängst spitz gekriegt — es waren nur ein paar verräterische Blicke zwischen
den beiden... klappt das, macht er alles, was wir wollen. Es ist nicht
angenehm, mit einem rosa Winkel in einem Anhaltelager von
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