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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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eines irrationalen Mahdi, eines verkehrt gepolten genialischen Demagogen. Irene erzählte von ihrem Vater, einem pazifistischen Intellektuellen, der in KZ-Haft ein Leben führen mußte, das er als unwürdig, nicht ohne Nachhilfe eines SS-Schergen, schließlich aufgab. Und Helena beichtete, daß sie ihre theatralische Begabung der großen griechischen Schauspielerin Papandreu verdanke, deren Verwandte sie sei und deren Mann der keineswegs achsenfreundliche Politiker Georg Papandreu wäre. Und daß ihre Folkloretruppe recht eigentlich ein vielfach verwendbares Instrument sei, um praktische Widerstandsarbeit zu leisten. Daß sie mit ihm - wenn auch leider in allzu geringem Ausmaß - einige der auferlegten Aufgaben erfülle.
    Da war bei den erfreulich vielen Gastspielen auf dem Lande und in der Region die Verteilung von Nahrungsmitteln noch das wenigste, die Verteilung geheimer Waffenbestände über Meer und Gebirg oder die Konzentration auf bestimmte strategische Punkte schon erheblich schwieriger. Dies mußte vorsichtig und bedachtsam vollzogen werden und war natürlich höchst gefährlich. Aber ein Tanz- und Gesangsensemble, zumal wenn es von der Militärbehörde lizenziert war, schlüpfte leichter durch Checkpoints, Wachtposten und Militärpolizeistreifen und hatte weniger Durchsuchungen zu befürchten. Und Feinde seien ja auch nur Männer, meinte sie sybillinisch. Aber die Hauptaufgabe sei letzlich das Schwierigste. Die jungen Soldaten und Offiziere der zerschlagenen griechischen Armee, die nicht kapituliert hatten und erbärmlich in Schlupfwinkeln in den kleinen Häfen, in Höhlen im Gebirge, im Maquis hausten, zu sammeln, durch die Kontrollen zu schleusen und sie - zum Beispiel als Sirtakitänzer einer Folkloretruppe bei Gastspielen - in einem komplizierten Inselhüpfen aus dem Land zu bringen, bis sie Gelegenheit fanden, nach Kairo zu gelangen, um sich dort in die bereits ruhmreiche Exilarmee einreihen zu können, etwa in die »Gebirgsbrigade« oder in das »Heilige Bataillon«. Was jedenfalls ehrenvoller sei als eine Deportation zur Zwangsarbeit nach Deutschland, die ihnen drohte.
    Das alles sah Irene, die pazifistische Kämpferin, sofort ein und begeisterte sie. Praktisch und realistisch wie sie war und mit methodischem Geist und der weiblichen Naturbegabung zur Konspiration, erkannte sie fantastische Möglichkeiten. Natürlich konnte ihr vergrößertes Ensemble eine personell erweiterte Organisation verkraften. Tüchtige junge Männer vermochten als Bühnenarbeiter, zusätzliche Musiker, Reiseleiter, Quartiermacher, Hilfsbeleuchter eine Scheinanstellung finden, ohne Argwohn zu erregen. Selbst der rasche zweckbedingte Personalwechsel in diesen untergeordneten Positionen ließe sich mit vielen Gründen erklären.
    Helena blieb skeptisch. Wie wollte Irene das alles hinkriegen, sie, eine bessere Huppdohle, als Käpt'ngirl nur bei ihrer eigenen kleinen Mädchengruppe bedingt bevorrechtet ... Und dann wäre ja noch dieser seltsame Typ von einem Tourneeleiter da, bei dem man nie wußte, woran man war ...
    »Das ist leichter als du denkst«, entgegnete Irene. »Stell mir einige deiner Mädchen ab, die sich mit unseren männlichen Solisten beschäftigen können, sie werden uns schon verdammt lästig, und wenn du den jungen hübschen Miltiades auf unseren Tourneeleiter ansetzt ... ich habe die Neigung dieses Herrn, die in Deutschland lebensgefährlich ist, unlängst spitz gekriegt - es waren nur ein paar verräterische Blicke zwischen den beiden ... klappt das, macht er alles, was wir wollen. Es ist nicht angenehm, mit einem rosa Winkel in einem Anhaltelager von sadistischen Mannsviechern zu Tode gedemütigt zu werden ...«
    »Du würdest ihn erpressen?«
    »Ohne die geringsten Gewissensbisse.«
    Sie planten weiter, bis sie von den Aufsehern zum Verlassen der Akropolis veranlaßt wurden. Vergnügt hängte sich Irene in Helena ein. Der Mond hatte seinen Zenit erreicht. Irene zitierte ungenau: »Ein solcher Mond ...«Dann lachte sie: »Ein Sommernachtstraum.« Und nach einer Pause: »Ein Fehler, daß wir kein Liebespaar sind«, sagte sie.
    »Sind wir das nicht?« sagte Helena.
    Irene wußte, was nun auf sie zukommen würde, und sie wollte es. Sie war lange genug »am Bau«. Sie hatte, wenn auch mit jämmerlichem Erfolg und ohne Resultat ihre Erfahrungen gemacht, die sie mißmutig ihre Verfahrungen nannte. Sie war schon im Kinderballett mit allen Gegebenheiten beider Geschlechter bekannt geworden. Der Körper, das wußte

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