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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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empfanden wie diese profanen Geschöpfe Shimmy, Charleston und Black Bottom zu tanzen, war Blanche voll und ganz dabei. Als sich später die Lustbarkeit mehr in die Horizontale verlagerte, war sie nicht sonderlich schockiert. Der Ausdruckstanz kannte manche ungewöhnliche expressive Stellungskompositionen - nur soll sie sich, dem späteren Vernehmen nach, den ihr entgegengestreckten Armen mit dem fröhlichen Ausruf: »Ich bin eine Jungfrau, ich bin eine Jungfrau!« arglos entzogen haben, wobei sie in einer bemerkenswert geschickten Choreographie tanzend der einen Gruppe entschlüpfte, um sich umgehend aus einer anderen herauszuwinden, was zur Folge hatte, daß die gesamte Gästeschar,
    nicht mehr voll ausgelastet mit der Mühe die restlichen Kleidungsstücke abzulegen, in ein herzliches Lachen ausbrach und so die Fortsetzung der eingeleiteten Gruppenpositionen und Arrangements zum Teil recht erhebliche Verzögerungen erfuhr.
    Das fröhlich herausgekrähte Bekenntnis, eine Jungfrau zu sein, war der beste Witz des fortgeschrittenen Abends und natürlich glaubte ihr niemand. Als irgendwelche Hände versuchten, ihr Kleid von den Schultern zu streifen und dabei ihren strategisch schwachen Punkt, oder, wenn man will, ihren stärksten, weil am ängstlichst verteidigten Punkt berührten, brauchte sie nur ihr munteres Bekenntnis zu wiederholen, um diese Hände von weiteren unerwünschten Zofendiensten abzuhalten.
    Was sie dann weiter zu sehen bekam, erfaßte sie nur noch als phantasievolle Assoziation. Nun ja, »Blumen des Bösen«, Baudelaire und Verlaine, die süßen Mädchen von Lesbos, die »Lieder der Bilitis«, das »Ende Sardanapals« - Delacroix -, das kannte man von Bildern, wußte man aus der Literatur, Orgie klang so hübsch, weil es sich mit dem Wort Orchidee, einem schönen, üppigen, aber als verrucht geltenden Lippenblütler vermischte. (Für drastischere Bezeichnungen hatten die Zoten und Gemeinheiten der Ankleide- und Duschräume längst ausreichend gesorgt, aber diese trafen für das polyphone Geschehen, das sich hier ereignete und das sie nur durch einen rosigen Nebel unklar wahrnahm, doch wohl nicht zu.)
    Dann gab es leere Stellen im Gedächtnis, so, wie in der Presse der Tyranneien sich weiße Flecken in den Zeitungen finden lassen. Sie glaubte kurz einen Prinz Albert gesehen zu haben, fand sich aber dann an einer anderen Stelle in einem heimlichen Winkel in den Armen eines gewissen Fabio, eines gutaussehenden Amerikaners italienischer Herkunft, eines -das wußte sie genau - verdienstvollen Planers einer Dancingschool in Milwaukee »in european style«, wie er versicherte, und es war eigentlich alles ganz richtig und ließ sich gut an. Sie fand es ausgesprochen angenehm, von diesem Latin lover kräftig in den Arm genommen und so heftig gedrückt zu werden, daß sie am liebsten laut aufgeschrien hätte, sie fand es ausgesprochen prima, daß man sie einmal von vorne packte und sich nicht schmeichlerisch von rückwärts an ihren Hals hing, um Kontakt zu finden. Und sie gab sich, dem früheren Rat erfahrener Mitschwestern folgend, weich und unterdrückte jeden eigenen Widerstand gegen dieses starke, wachsende und immer drängendere Gefühl, gegen diese Macht und Herrlichkeit, die sie gegen sich gerichtet spürte. Ach, dieses Gefühl üppigen Quellens war ihr nicht unbekannt, nur - als sie es das erstemal erlebte, kauerte sie, wie eben Tänzerinnen kauern, vor einem Manne, und als er ihren Kopf zwischen seine Beine preßte, sagte dieser Dummkopf doch tatsächlich: »Ach Neige , du Schmerzensreiche, dein Antlitz gnädig meiner Not ...«, und mit dieser unangemessenen Anrufung ihres ungeliebten Nachnamens war natürlich alles aus. Und darüber war sie damals im Nachhinein eigentlich recht glücklich gewesen. Doch jetzt schien alles anders zu sein. Sie stand an ihn gepreßt und lockerte sich bereitwillig seinem Zugriff, den er ohne die befürchtete männliche Brutalität mit einer zärtlichen Vorsicht vollzog, er streichelte und strich und streifte ab, sie gab nach, kam ihm entgegen ..., aber plötzlich -sie verstand es kaum -, verzerrte sich das in seiner Begierde besonders schön gewordene Antlitz Fabios zu einer häßlichen Grimasse und mit dem befremdlichen Ausruf: »Goddam, sie ist ja tatsächlich noch eine ...«, und mit zwei knappen Worten der ungemein präzisen amerikanischen Vulgärsprache forderte er sie auf, mit sich selbst zu tun, was er eigentlich mit ihr zu tun beabsichtigt hatte ..., und so sah sie

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