Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
Vom Netzwerk:
sich jählings alleingelassen.
3
    An dieser Stelle erscheint uns eine Blende am Platz. Wir wüßten auch nicht den Ausgang einer Party zu beschreiben, von der kein Mensch mehr eine Ahnung besaß, wann und wo sie ihr Ende gefunden hatte.
    Unser Schneewittchen erwachte jedenfalls erst spät am Vormittag auf einem Lager voller Fummel in einem Rustico der Fontana Martina bei Ronco, weil ihr Ameisen über Gesicht und Arme liefen. Doch da sie ein kluges Mädchen war, sprang sie nicht mit einem munteren »Hey!« auf die Beine, sie tat, als ob sie weiterschliefe, um erst das Terrain zu sondieren, die Erinnerungsbruchstücke der vergangenen Nacht einzusammeln, in einen Ablauf zu bringen und zu Überlegungen zu gelangen. Was hatte sie falsch gemacht, warum war offenbar alles falsch gelaufen?
    Sie wäre bei ihrer Selbsterforschung nicht viel weitergekommen, hätten ihr nicht einige weibliche Personen unfreiwillig geholfen, die sich im selben Raum befanden und sich leise über ihre Person unterhielten, während sie mit größtem Appetit große Mengen von Milch, Weißbrot, Käse und Landjäger, eine typische schweizerische Dauerwurst, vertilgten.
    Sie erfuhr, daß sie sich wie Lord Byron rühmen konnte: »Ich wachte eines Morgens auf und war berühmt!« - Sie war ein unbestrittener Erfolg gewesen. Man bewunderte die geniale Leistung eines Neulings, die unbefleckte Unschuld zu spielen, um sich den lästigen gesellschaftlichen Verpflichtungen zu entziehen und sich gleichzeitig in aller Ruhe den männlichen Ehrengast zu schnappen, für den - unter anderen - diese Abschiedsparty gegeben worden war, ihn weiterhin so gründlich zu vernaschen, daß man bis zum Abgang des ersten Postautos nach Locarno nichts mehr von ihm gehört hatte. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben oder war schon auf der großen Reise. Das war kein Gesellen-, das war ein Meisterstück weiblicher Sexualstrategie und der Kleinen nicht zuzutrauen gewesen. Sie erfuhr ferner, daß sie das süßeste, raffinierteste kleine Luder sei, seit sich die zwölfjährige Cleopatra den alternden Glatzkopf Cäsar unter den Nagel gerissen hatte, und solches zu hören, tat ihr wohl. Sie überlegte schnell: Wenn sie die Wahrheit sagte, wurde ihr nicht geglaubt, wenn sie hingegen log, nahm man es für wahr. Wie jedes gerade, ehrliche, anständige Mädchen war auch Blanche eine abgefeimte Lügnerin und Schwindlerin. Ihre Folgerung war logisch und wie jeder richtige Entschluß einfach: Wenn man ihr die Unschuld nicht abnahm, so sollte man von ihr als Vamp und Femme fatale überzeugt werden. Eine männerfressende Anita Berber wollte sie sein, eine kokainschnupfende Nymphomanin!
    Sie riskierte ein Auge. Sie befand sich in einem offenbar ländlichen Gebäude, denn das Gemäuer bestand aus grob gemörtelten Granitsteinen. Die Mädchen im Raum waren ihresgleichen, das sah sie mit einem kurzen Blinzeln. Sie glaubte die eine oder andere wiederzuerkennen. Schwierig war jenes Wesen unterzubringen, das anscheinend hier der Gastgeber war: eine skurrile Mischung von komischer Märchenhexe und weiblichem Gartenzwerg, deren untersetzte Figur mit dem dicken Po in abgewetzten Cordhosen steckte, während der graue, unfrisierte Kopf in einem Tuch eingebunden war, dessen eine Ecke nach oben wegstand wie das Ende einer Zipfelmütze. Aber sie strahlte nichts Bösartiges aus, im Gegenteil, sie schien die Güte selbst. Das Gespräch um diese gastfreundlich bemühte Heinzelfrau wandte sich von ihrer Person allgemeineren Themen zu.
    »Isch will doch ssum Film in Tyskland«, sagte ein Mädchen. Blanche erinnerte sich: eine junge Dänin aus Aarhus oder irgendwo.
    »Ischt daz wahr, dasch ma da alle Manne lieben musch, um ssu Rolle ssu komme?« fragte sie, und eine bekümmerte Falte grub sich in ihre reine Stirn.
    »Nö - müssen mußte jar nischt, aba besser is et, du tust et, so wie ick die Ufa kenne«, meinte eine junge Berlinerin mit offenbarer Erfahrung.
    »Oh, du kennsch Frau Ufa«, sagte tief beeindruckt die Dänin und war hochachtungsvoll. »Dasch isch aber traurig, jede Mann liebe ssu müsse«, klagte das Kind aus dem Norden. »Wir Mädchen von Jütland nehmen die Liebe ssehr, sehr eanst und komplissiert ...«
    »Dann lass et«, meinte die Berlinerin lakonisch.
    »Aber isch will doch ssum Film ...«
    »Dann tu et.«
    »Aber man kann doch nur eine Mann liebe«, beharrte die Stimme Jütlands.
    »Na, hier hast du et jedenfalls schon auf drei oder vier jebracht, soviel ick mir erinnere ...«
    Jütland war

Weitere Kostenlose Bücher