Das Filmbett
Muskeln sehen, die breiten Schultern, die schmalen Hüften. Da war nichts Effeminiertes, wie sonst bei den meisten Danseurs nobles, nichts Weibisches in Haltung und Gebaren - das war ein Mannskerl, der kräftig auf der Erde stand, und man konnte sich nicht vorstellen, daß soviel kompakte Maskulinität sich vom Boden lösen könne. Aber als er dann sprang, Gott, wie konnte er springen ... Mit federnder Schnellkraft durchteilte er den Raum in der Luft, die Sprunggelenke waren ein Wunderwerk menschlicher Anatomie - wie eine Rakete schoß er in die Höhe, wirbelte dabei um die eigene Achse und seine Entrechats waren schlicht phantastisch. So etwas hatte sie noch nie gesehen und, sie mußte es zugeben, auch nicht für möglich gehalten. Das war alles andere als das zickige Ballettgehopse, wie sie es kannte.
Sie wollte den gewaltigen Eindruck beiseiteschieben mit der Feststellung, daß das hier eben Artistik sei, reine Akrobatik, Zirkuskunst, aber dann war plötzlich die ganze virtuose Bravour auf einmal ausgelöscht, weil in der Abfolge der obligaten Schritt- und Bewegungsformen eine Ausdruckskraft einschoß, die nichts mehr mit dem üblichen Ballettgetändel zu tun hatte. Hier wurde die leere, abgeschlissene Pose verlebendigt zu einem blutvollen Dasein und So-sein. Blanche war gebannt und so hingerissen, daß sie nichts anderes im Saal mehr wahrnahm, sie sah nur ihn, ihn und wieder ihn, und merkte gar nicht, daß die Meisterin das Exercise längst beendet hatte.
Sie kauerte noch mit großen Kinderaugen, als diese bereits mit Mericia im Gespräch war. Und als sie Madame Dershinska vorgestellt wurde, schoß sie vom Boden hoch, und ganz unbewußt, ja wider Willen - aber nicht widerwillig -, küßte sie die ihr dargereichte Hand und machte einen tiefen Knicks - wie es Brauch war und die Sitte es befahl.
Du hast dich benommen wie das beschissenste, rotznäsigste Ballettmädel, ärgerte sie sich innerlich - das ist schmähliche Kapitulation, die Übergabe von Breda und so ... Sie hörte gerade noch, daß Madame enchante sei, auch einmal eine Kollegin von der »anderen Fakultät« kennenzulernen (es war ganz ohne Ironie gesagt), und daß sie ihr gerne ihren Übungssaal zum Exercise - pardon - pour le training naturellement -, zur Verfügung stelle, und sie bemerkte - wie durch einen Nebel - eine Blanche, die dankend diese Einladung annahm.
Wieder im Auto.
»Du bist ein Luder!«
»Das bin ich meinen roten Haaren schuldig. Aber wieso eigentlich im speziellen Falle?« - Mericia war sichtlich vergnügt.
»Mich hierher zu verschleppen.«
»Du schienst beeindruckt. Ich denke, es hat dir gefallen?«
»Es? Er hat mir gefallen. Der Mann hat mir gefallen. Er ist wirklich ein Mann.«
»Das kann man wohl sagen. Der braucht sich keine Taschentücher ins Suspensorium zu stecken, um mehr vorzutäuschen, als er hat.« Mericia lachte ihr dunkles Lachen. »Du hast es natürlich gesehen?«
»Hm.« - (Es klang sehr nachdenklich.)
Mericia gurrte verschmitzt. »Ja, es war unübersehbar. Im übrigen, damit du keine falschen Vorstellungen entwickelst, laß dir von einer erfahrenen Frau sagen: es kommt nicht auf die Größe an, sondern darauf, wie man den Apparat kunstvoll betätigt ...« Wieder schmunzelte sie still vor sich hin.
»Das kann ich mir denken.«
»Der würde dir also gefallen? Dann lach ihn dir doch an.«
»Das sagst du so. Es sind da so kleine Schwierigkeiten ...«
»Moralischer Natur?«
»Nööö. Rein körperlicher. Meine Jungfernschaft steht dem im Wege.« Sie erzählte die Geschichte von Fabio.
Mericia war äußerst amüsiert. »Ja, die Herren der Schöpfung werden immer bequemer. Virginität ist im Preis gefallen. Sie ist nicht mehr gefragt. Sie wollen es ohne große Arbeit haben. Gebrauchsfertig frei ins Haus. Nur Vergnügen -keine Anstrengung. Ein Zeichen, daß wir in einer großen Zeit leben. Die frühen Griechen legten der mannbar gewordenen Griechin einfach einen steinernen Phallos ins Schlafgemach zur gefälligen Selbstbedienung. Die konnte dann sehen, wie sie damit - fertig wurde ...«
»Die Dame gefällt sich in Doppeldeutigkeiten«, Blanche sagte es in verweisendem Ton und mußte lachen.
»Igitt, der kalte Stein ... eine höchst unerfreuliche Vorstellung.«
Mericia kniff unwillkürlich die Schenkel zusammen und kam dadurch mit dem Fuß vom Gaspedal. Sie mußte neu starten.
»... die dicken, reichen römischen Patrizier hatten für uns Lieblingssklavinnen da schon eine bessere Methode. Sie ließen uns
Weitere Kostenlose Bücher