Das Filmbett
Kinder, beide rothaarig wie richtige Iren ...«Sie sprach schnell und hastig. Blanches Mißtrauen regte sich wieder.
»Und Sie wären die ganze Nacht aufgeblieben, um auf mich zu warten? Es hätte doch leicht sehr spät- oder sehr früh werden können auf der Insel, wieso sind Sie ...«
»Nun ja, das Monster rief mich vor einer knappen Viertelstunde an, es hätte da eine verflixte Panne gegeben - bedauerlicherweise -, er wüßte nicht, wie Sie es aufnehmen oder darüber wegkommen würden. Es war alles ein wenig verwirrend, und da bin ich eben schnell mal rumgekommen, um nach Ihnen zu sehen.«
Das war glaubwürdig - und eigentlich nett vom Monster.
»Ich kann mir schon vorstellen, was da passiert ist. Sie müssen mir alles ganz genau erzählen, ich bin neugierig wie ein altes Weib und gespannt wie ein Regenschirm. War selber mal in eisgrauer Vorzeit ein ziemlich störrischer Esel, mich mußte man auf freier Wildbahn mit dem Lasso einfangen ...« Sie lachte. »Wenn auch das Lasso schließlich der Hosenträger eines Schweizer Arztes war, meines Mannes.« Ihr Lachen war leicht und dunkel. »Kommen Sie, Blanche, seien Sie kein Frosch, wir gehen zu uns. Nennen Sie mich Mericia, ja, so heiße ich, weiß der Deibel warum - mein Vater muß besoffen gewesen sein ... Wir quatschen uns richtig aus, so ganz allein unter uns Jungfrauen - o jemine, das hätte ich wohl jetzt nicht sagen sollen. Na, egal, was raus ist, ist raus.« Sie zog die noch immer ein bißchen, aber nur noch ein bißchen Widerstrebende mit sich fort. »Ich habe Al den Eisschrank nachgefüllt, wenn er morgen oder übermorgen zurückkommt... Wissen Sie, man muß sich etwas um ihn kümmern ... diese intellektuellen Junggesellen sind ja hilflose Kinder. Ich muß leider zurück in den ehelichen Pferch, mehr als 'ne halbe Woche läßt mich mein Trauter nicht weg ...«
Dann war Blanche in der bereits bekannten Umgebung. Die beiden hockten in der Küche und fraßen den vollen Eisschrank wieder halb leer, Mericia öffnete eine Flasche vom besten Merlo, und man sprach über das Monster und die Frau Doktor aus Berlin, die nur in der »Öffentlichkeitsarbeit« voll und ganz auf ihre Rechnung kam, und über die wollüstigen russischen Gardeoffiziere im Grünen Foyer: »Du hast 'ne ganz hübsch verdorbene Phantasie, mein Kind«, und dann wollte Blanche wissen, ob Mericias Haar echt sei und ob sie überall ...? Sie könne sich das ja gelegentlich ansehen, sie habe einige Anerkennungsschreiben, lachte Mericia ...
Und Blanche hatte plötzlich eine echte Freundin, nicht so ein dummes Gör, wie sie selbst es war, oder eine schrullige, betuliche Tante, die Datterich-Deutsch sprach, sondern eine junge Frau, mit der man über alles, aber auch über alles reden konnte. Und sie merkte gar nicht, daß sie dabei - unmerklich zwar - aber sicher geführt wurde.
So kam Blanche wieder nicht in ihr eigenes Bett, sondern schlüpfte in das von Mericia - sie war tatsächlich überall rot und es sah einfach-toll aus.
Aber es geschah weiter nichts, denn erstens hatte man sich soviel zu erzählen, zweitens waren sie beide nicht dafür, und drittens war man doch soo ent-setz-lich mü-ü-ü-d-e.
10
»Sag mal, dein Bruder hat's wohl nicht alle«, sagte sie forsch am nächsten Morgen beim Frühstück zu Mericia.
»Wieso?«
»Na, diese Sache da mit seinem klassischem Ballett. Das ist doch endgültig passe.«
»Na, da bin ich nicht so sicher. Lies mal die ›Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe‹ von Wölfflin. Da gibt es Wellen in der Kunst, die kommen immer wieder, periodische Tendenzen wie Ebbe und Flut. Ich habe selbst mal Ballett getanzt - long ago -, da gibt's Sachen, die sind gar nicht so ohne ...«
»Ja, zum Beispiel die Offiziere und die nackten Hintern unterm Tutu, von der Vorderfront ganz zu schweigen ...«
»Ach geh, du mit deinen heimlichen Wunschträumen, du kleines Ferkel.« Mericia schmunzelte. »Aber als Bild kann ich es mir recht hübsch vorstellen: ›Die Zucht vermählt sich mit der Unzucht‹, schön dekadent und verderbt, traun fürwahr ...« Sie lachte wieder.
»Die gnädige Frau scheint sich leicht zu amüsieren.«
»Nein, aber ich denke an den Pas de Quatre der vier kleinen Schwänchen im ›Schwanensee‹. Bei dem gezierten Gehüpfe muß die Meierei da oben ganz schön in Bewegung gekommen sein. So acht runde Dinger im ewigen Zwiespalt zwischen Fliehkraft und Beharrungsvermögen ... Hast du je Rastelli gesehen? Der jongliert auch mit acht Bällen ... Übrigens du
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