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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthologie
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mit deinem hohen Spann gäbst eine prima Primaballerina ab ...«
    »Laß mich damit in Ruh. Die blutigen Zehen nach jedem Exercise und nach jeder Vorstellung - gräßlich.«
    »Da hast du recht. Aber diese gebändigte Anmut ... diese schwebende Erdungebundenheit... diese Leichtigkeit in der -zugegebenen - Dressur ...«
    »Dann wäre ich lieber eine Lipizzanerstute in der Wiener Hofreitschule.«
    »Dafür hast du einen viel zu kleinen Arsch«, sagte Mericia und Blanche bekam eins hinten drauf. »Los, begleit mich, ich hab noch einiges zu besorgen, bevor es wieder ins Joch geht. Al hat mir seinen DKW, den ›Deka-Wuppdich‹ dagelassen und ist mit der Bahn gefahren.«
    Sie ratterten mit dem Zweitakter über den Monte Ceneri an den Luganer See, kletterten hinauf nach Porza, wo einige deutsche Aristokratinnen den Krieg abgewartet, Werkstätten eingerichtet hatten und auf Webstühlen handgefertigte Wollstoffe herstellten. - »Gut für Kinderkleidung«, sagte Mericia, dann aßen sie zu Mittag frische Forellen in Gandria, dann ging es zu einer Keramikfabrik bei Morkote. -»Hier gibt es besonders hübsches Geschirr und die Kinder zertöppern so viel«, dann kamen sie über Ponte Tresa wieder an den Lago Maggiore, zwischendurch telefonierte Mericia von unterwegs, und schließlich fuhren sie von Locarno aus rechts in das Val Verzasca und nach einer kurzen Fahrt über eine kurvenreiche Strecke hielt Mericia vor einem großen modernen Bungalow mit Flachdach und enormen Glasfronten.
    »Aussteigen! Wir sind hier angesagt.« Mericia zog die Autoschlüssel ab.
    »Wo sind wir hier?«
    »Das wirst du schon sehen.«
    Was Blanche als erstes sah, war ein elegantes Schild:
    ACADEMIE DE DANSE
    BALLETT CLASS1QUE - COURSE DE GYMNASTIQUE
    OLGA DERSHINSKA
    »Du bist eine Bestie«, sagte Blanche. »Ich werde dich wegen Kidnapping verklagen.«
    »Wieso? Ich will nur meine Kinder anmelden. Fürs nächste Jahr. Dann sind sie soweit.«
    Sie klingelte, ein Mädchen mit Brille öffnete: »Madame ist noch beim Exercise.« Sie legte die Finger auf den Mund, führte sie durch einen Korridor zu einer hohen Tür und ließ sie in ein großes, helles Studio eintreten. Mericia bedeutete einer strengen älteren Dame mit weißem Haar, sich nicht stören zu lassen und setzte sich auf einen Stuhl. Blanche hockte sich sofort zu ihren Füßen hin. Hier war sie zu Hause, das war ihre Welt: ein Tanzsaal, schöner, heller, moderner vielleicht, als der in ihrem Theater, aber das flache Kistchen mit dem Kollophonium war da, das Klavier mit dem alten Korrepetitor, die abgelegten Klamotten, Strickjacken und Handtaschen lagen herum, und dann waren die Tänzerinnen da, wenig an der Zahl, und ein Tänzer. Die Mädchen unterschieden sich natürlich von denen ihrer Truppe. Sie trugen nicht den Tanzkittel und die Tanzschläppchen oder gingen barfuß, wie es der moderne Tanz seit Isadora Duncans Zeiten forderte, sie hatten aber auch nicht den Tutu an, sondern staken in alten, vielfach geflickten Beintrikots und Trikotleibchen und darüber hatten sie noch, um die Muskeln vor Erkältung oder Zug zu schützen, zerfledderte, grob gestrickte Beinstutzen, ramponierte Wollröhren für den einen oder anderen Schenkel. An den Füßen allerdings sah man die abgetanzten, schmutzig gewordenen Spitzenschuhe.
    Alles sah wenig nach einem glänzenden »Ballet blanche« aus, es fehlten den Mädchen die Krönchen und Diademe, die die Abzeichen der Solistinnen und Koryphäen sind. Sie trugen lange Haare mit strengem Madonnenscheitel und hinten zu einem festen Knoten gebunden. Es roch nach dem schönsten Parfüm dieser Welt (für Blanche jedenfalls), nach Arbeitsschweiß und Eau de Cologne, nach Mastix und Schminke (oder bildete sie sich letzteres nur ein?), und das triste Aussehen dieser schwer arbeitenden Menschen stand in einem schroffen Gegensatz zu der Eleganz des modernen, lichtdurchfluteten Saales. Aber Blanche wußte, daß das, was hier mit Schweiß und Tränen erarbeitet wurde, eines Abends im Licht der Rampen in strahlendem Glanz erscheinen und zu einem Fest der Sinne werden würde.
    Sie kannte das zur Genüge. Hier wurde ihr nichts Neues geboten. Oder doch?
    Da war dieser Tänzer, zweifellos ein Russe mit seinem breiten, slawischen Gesicht und den hochgezogenen Backenknochen, den etwas schräg gestellten Augen. Ein Mann, sagte sie sich, das ist ein Mann. Von kräftigem Körperbau, aber wohlproportioniert - was man so selten fand. Er war im Ganztrikot, man konnte seine prachtvollen

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