Das Finale
sie schon
mehrfach begegnet war. Auch heute hatte er die Sonnenbrille in die schwarzen
Haare hochgeschoben. Er schenkte ihr ein Lächeln, bevor er hinter der nächsten
Ecke verschwand.
Sie wollte
aufspringen, aber der Narbengesichtige war schneller. Blitzschnell packte er
ihren Unterarm und umklammerte ihn. Sie wollte sich losreißen, doch der Mann
verfügte über erstaunliche Kräfte. Wie in einem Schraubstock hielt er sie fest.
»Lassen Sie mich sofort
los«, zischte Frauke.
»Sofort«, sagte der
Mann ungerührt. »Unser Angebot hat nur Vorteile. Für alle. Auch für Sie. Und
Ihre Gesundheit«, fügte er an.
Fredo brachte die
bestellten Getränke. Dabei nickte er dem Mann vertraulich zu.
»Das hat aber lange
gedauert«, schimpfte Frauke.
»Manches benötigt
seine Zeit«, erwiderte ihr Gesprächspartner vieldeutig.
Frauke schob ihm die
Tasse zu, dass der Inhalt auf den Tisch kleckerte. »Alles, was ich hier von
Ihnen zu hören und zu sehen bekommen habe, ist kalter Kaffee«, sagte sie.
»Damit können Sie mich nicht locken. Grüßen Sie Ihren Boss. Wenn er sich einen
Funken kindliches Gemüt bewahrt hat, wird er sich vielleicht an den kommenden
Polizeibesuchen im Rotlichtbezirk erfreuen. Jedes Kind ist fasziniert vom
Blaulicht, wenn die Polizei kommt.«
»Sie sollten nicht
vergessen, dass auch der Rettungswagen mit Blaulicht kommt«, sagte der Mann
zweideutig. Es klang deutlich wie eine Drohung.
Frauke stand auf.
»Grüßen Sie Ihren Boss. Das nächste Gespräch führe ich mit ihm persönlich. In
unseren Räumen. Wir haben für so ein Gespräch übrigens einen Fachausdruck. Wir
nennen es ›Vernehmung‹.«
Sie stand auf und
versuchte, noch etwas von dem Südländer zu entdecken. Aber die Hoffnung war
vergeblich.
Enttäuscht
kehrte sie ins Landeskriminalamt zurück und suchte Thomas Schwarczer auf. Sie
berichtete von ihrer Begegnung mit dem Narbengesicht.
Der Kommissar ließ
sich von Frauke den Mann beschreiben, setzte sich an seinen Computer und war
nach kurzer Zeit fündig geworden.
»Helmut Kiehnhorst
heißt er.« Schwarczer zeigte Frauke das Bild. Es war ein Treffer.
»Kennen Sie ihn?«,
fragte sie.
»Ich bin ihm flüchtig
begegnet, aber direkten Kontakt hatten wir keinen. Kiehnhorst gilt als
Handlanger eines Kiezbosses.«
»Als rechte Hand?«
Schwarczer
schüttelte den Kopf. »Als Vertrauter, aber nicht als rechte Hand. Der Chef
duldet keinen Vizekönig. Kiehnhorst ist nicht dumm. Seine äußere Erscheinung
trügt. Er hat Abitur und sich dann dem Sport verschrieben. Er war ein
hoffnungsvolles Boxtalent und hat wohl auch einige Erfolge erzielt, bis er an
die falschen Leute geraten ist. Sex. Drugs .
Glücksspiel. Da war die Karriere schnell zu Ende. So ist er im Milieu hängen
geblieben.«
Frauke zeigte auf
den Bildschirm. »Wenn wir ihn in unserer Datei führen, ist er vorbestraft.«
Der Kommissar
nickte. »Das Übliche, ist man fast geneigt zu sagen. Körperverletzung, Fahren
unter Alkohol- und Drogeneinfluss, Förderung der Prostitution. Vom Vorwurf des
Menschenhandels wurde er freigesprochen. Er soll junge Mädchen aus Osteuropa
gegen ihren Willen hierher verschleppt haben.«
»Was für
Körperverletzung?«
Schwarczer studierte
das Dossier auf seinem Bildschirm. »Kiehnhorst hat einen angetrunkenen Freier
zusammengeschlagen, der angeblich gegen eines der Mädchen gewalttätig geworden
ist. Ein weiteres Mal hat er bei einer Auseinandersetzung auf dem Kiez
zugelangt und den Vertrauten eines anderen Rotlichtwirts übel zugerichtet. Das
Opfer hat erhebliche Schäden davongetragen, im Prozess aber jede Aussage oder
Mitwirkung verweigert. Deshalb ist Kiehnhorst relativ glimpflich davongekommen.
Er ist sicher nicht der professionelle Gewalttäter, aber eine handfeste
Auseinandersetzung mit Kiehnhorst ist bestimmt kein Vergnügen.«
Frauke kehrte in ihr
Büro zurück. Sie fand eine E-Mail eines NDR -Redakteurs.
Dieter Eigenbrodt bat um Rückruf.
Widerwillig wählte
sie die Nummer. Es meldete sich eine forsch klingende Männerstimme.
»Ich bin Mitglied
der Hannover-Redaktion von NDR 1
Niedersachsen«, erklärte Eigenbrodt. »Wir haben schon öfter über das
Steintorviertel berichtet. Besondere Brisanz hat das Thema jetzt dadurch
gewonnen, dass sich die Szenewirte gegen die Organisation zur Wehr setzen. Ich
habe auch schon Beiträge zur Entwicklung der organisierten Kriminalität in
Hannover produziert und bin jetzt der neuesten Entwicklung auf der Spur.« Er
zählte die Ereignisse der
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