Das Finale
Ehlers zum Abschied. »Den Rest müssen Sie
selbst organisieren.«
Frauke suchte noch
einmal Madsack auf, der sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn
wischte. »Ich bin dabei, alles in die Wege zu leiten«, sagte er zwischen zwei
Telefonaten.
»Denken Sie daran,
dass die Einsatzkräfte die sogenannten Pensionsinhaber nach dem Mann befragen
sollen, der das Geld für die angeblichen Hotelgäste vorbeibringt und auch die
Verträge abgeschlossen hat. Wir benötigen Phantomzeichnungen und eine exakte
Personenbeschreibung.«
»Das habe ich schon
weitergegeben. Daran habe ich selbst gedacht«, sagte Madsack. Ein Leuchten
tauchte in seinen Augen auf, als Frauke ihn mit einem »Gut, Madsack« lobte.
Auf dem Flur traf
sie Schwarczer. »Ich habe einen Auftrag für Sie«, sagte sie und bat ihn in ihr
Büro. »Sie haben gute Kontakte ins Rotlichtviertel. Ich möchte, dass Sie heute
Abend Erkundigungen über die Stimmung einholen. Hat der Besuch nachgelassen?
Gibt es Anzeichen von Spannungen, das heißt, laufen dort Schläger herum, die
bereit wären, Gewalt auszuüben? Gibt es Provokationen? Können Sie das allein?«
Schwarczer nickte statt
einer Antwort.
Frauke sah auf die
Uhr. Sie war nachts um drei Uhr mit Putensenf verabredet. Deshalb beschloss
sie, jetzt Feierabend zu machen.
In Hannover
herrschte reger Verkehr. Sie stellte im Radio NDR 1
Niedersachsen ein. Dort lief Séverine mit ihrem Titel »Mach die Augen zu und
wünsch dir einen Traum«. Die Musik wurde ausgeblendet, und es folgte eine
ellenlange Liste von Verkehrsstörungen. Natürlich wurde der Feierabendstau, in
dem Frauke stand, nicht genannt. Anschließend meldete sich eine Frauenstimme
mit dem Hinweis: »Hier ist NDR 1 Niedersachsen
Regional«. Es folgten Nachrichten aus dem Großraum Hannover. Sie vernahm die
Meldungen nur als Hintergrundgeräusch, bis sie stutzte. Dieter Eigenbrodt
berichtete über die organisierte Kriminalität. Der Journalist war erstaunlich
gut informiert, stellte Frauke fest. Er kannte viele Fakten, vermied es aber,
zu dramatisieren oder Spekulationen anzustellen. Er sprach davon, dass die
Polizei gute Fortschritte mache, aus ermittlungstaktischen Gründen aber noch
keine Einzelheiten preisgeben würde.
Den Rest des
Beitrags hörte sie auf dem Parkplatz vor der Haustür, den sie zufällig
ansteuern konnte. Mitten in die Sendung hinein meldete sich ihr Handy. Eine
Rufnummer wurde nicht angezeigt.
»Hallo.«
»Georg«, sagte sie
lauter, als es ihr lieb war. »Wo steckst du, verdammt noch mal? Melde dich
sofort bei der nächsten Polizeidienststelle oder sag mir, wo du bist. Ich lasse
dich abholen.«
Georg lachte kehlig
auf. »Genau das passiert nicht«, sagte er. Seine Stimme klang müde.
»Ich lasse dich zur
Fahndung ausschreiben«, drohte Frauke.
»Das machst du
nicht«, sagte er mit Bestimmtheit. »Wen willst du suchen lassen? Georg?
Welchen? Georg ist in Hannover kein Name, sondern ein Sammelbegriff. Straße,
Plätze, Einrichtungen. Überall begegnest du diesem Namen.«
»Was willst du?«
»Deine Stimme hören.
Und dich warnen. Ich glaube, du bist in ernsthafter Gefahr. Ich wollte, ich
könnte etwas für dich tun.«
»Dann werde aktiv.«
»Ich fürchte, da
haben sich Dinge verselbstständigt, die so nie beabsichtigt waren. Sei
vorsichtig.«
»Georg, was willst
du damit sagen? Pfeif einfach deine Leute zurück. Wir finden für alles eine
Lösung.«
»Das traue ich dir
sogar zu. Aber es gibt Dinge, die ungleich mächtiger sind als du. Nochmals: Sei
vorsichtig.« Dann hatte er aufgelegt.
Frauke starrte ihr
Handy an. Was wollte Georg ihr damit sagen? Warum warnte er sie, wenn er von
den Anschlägen auf sie und der Absicht, sie zu töten, wusste? Welche Stelle
nahm Georg in der Organisation ein? Verdankte sie die Warnung einzig der
Tatsache, dass Georg Schwäche zeigte und möglicherweise Gefühle für sie
entwickelt hatte? Es waren viele Fragen, auf die sie keine Antwort fand.
Routinemäßig
kontrollierte sie die Umgebung. Sie konnte nichts Auffälliges entdecken. Mit
einem Schmunzeln quittierte sie die Aufschrift »Männersache« auf der Markise
eines benachbarten Herrenfriseurs. Diese Textidee hätte Jakob Putensenf wohl am
liebsten am Landeskriminalamt angebracht als Mahnung, dass die Arbeit in einem
der sogenannten »harten Kommissariate« nicht für Frauen geeignet sei.
Vor der Haustür sah
sie sich noch einmal um, konnte aber nur harmlose Passanten entdecken. Auch im
Treppenhaus verbarg sich keine
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