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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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auszusprechen, so war doch unmöglich zu überhören, dass sie eigentlich – allerdings höflich besorgt statt drohend – dasselbe sagen wollte wie jene Blicke: ›Greider, in diesen Wolken hängt das Beil, das dir deinen Rückweg abschneiden wird. Wenn du aus dem Tal willst, dann hast du höchstens noch ein paar Stunden.‹
    Greider verstand die Blicke, und er verstand die unausgesprochenen Worte der Witwe. Aber er nahm beides mit Gelassenheit hin. Wenn in seiner Art etwas war, das nicht von großer innerer Ruhe zeugte, so war es höchstens der Funke einer Vorfreude. Greider war sich wohl bewusst, dass eine Tür hinter ihm zufiel. Aber er wirkte nicht wie einer, der im Begriff war, mit gefährlichen Tieren in einen Käfig gesperrt zu werden. Er wirkte eher wie jemand, den man in die gefüllte Speisekammer schloss.
    Als die beiden Frauen und Greider zu Bett gingen, konnten sie durch die dicken Scheiben der schmalen Fenster den Schnee immer dichter fallen sehen. Schon war der Boden weiß, und es gab keine Zweifel, dass die Sonne sich diesmal einige Monate würde gedulden müssen, bis sie sein Grün undBraun erneut hervorholen konnte. Es ging fast kein Wind, das Unwetter, das da draußen niederging, machte sich ganz still daran, die Welt zu ersticken und zu einem erstarrten Bild zu formen.
    Greider, der sich wohlig in den Daunen seines Betts vergrub, schien das durchaus zu gefallen. Friedlich lächelnd schlief er ein, unter den Augen des Frauenporträts an der Wand gegenüber. In der Mitte des Zimmers stand, in einem trüben, vom Schneefall durchrieselten Rechteck aus Mondlicht, noch immer die Staffelei. Auf ihr prangte erwartungsvoll die leere, straff aufgespannte Leinwand. Sie war vom gleichen Weiß, das die Welt draußen vor dem Fenster langsam annahm.

V
    Der Hof kauerte unter dem lastenden Schnee wie ein bösartiges Tier. Massig und gedrungen wirkte das matte Schwarz seiner Holzverkleidung, aus dem die Nachmittagssonne das Glas der Fenster blitzen ließ. So lauernd das große Haus ins Ende des Hochtals geschmiegt war, hätte man es inmitten des alles bedeckenden Weiß für den Eingang einer Höhle halten mögen, aus dem ein Wesen einen mürrischen Blick heraus tat, vielleicht in der Hoffnung auf Beute, die durch die langen, zurückgezogenen Wintermonate Zehrung geben könnte.
    Es gab keinen mächtigeren Hof im Tal als den des Brenner Bauern. Zwar hatte auch sein Haupthaus lediglich ein weiteres Stockwerk auf dem Erdgeschoß aufsitzen – aber seine Ausdehnung der Länge und Breite nach maß nahezu das Zweifache der des nächstgrößeren Hofs. Und wo die anderen Gebäude im Tal durch ihre geringe Höhe furchtsam geduckt wirkten, da weckte dieses den Eindruck von sich breitmachender und dennoch gespannter, versammelter Kraft.
    Leichte, angedeutete Linien, nur hie und da eine schärfere Kontur, ein paar schattige Flächen, Schraffuren, die höchstens für ein Stück vom Schnee freier Baumborke oder Felswand einmal tiefer ins Grau hineinspielten: Das war alles, was es auf Greiders Zeichenblock bedurfte, die umgebende Landschaft einzufangen. Doch in der Mitte des Bildes, da hatte er die Zeichenkohle dick und stark aufs Papier gerieben. Da starrte dieser Hof, mit seinem lauernden Haus, seiner großen Scheune und den Ställen.
    Kurz nach Hereinbrechen des Schnees hatte Greider damit begonnen, auch die andere Seite des Hochtals zu erkunden. Da diese kaum bevölkert war und er niemandem ein vertrauenerweckendes Schauspiel bieten musste, kam er bei diesen Streifzügen schneller voran. Das einzige Gebäude, das Greiders Aufmerksamkeit fesselte, war die Mühle, die – ins Tal hineinreitend linker Hand – nah an die Felswand gebaut war, aus der ein Gebirgsbach herabschoss, welcher das mannshohe Rad drehte. Sie beschäftigte seinen Zeichenstift für zwei, drei ungewöhnlich konzentrierte Tage, bevor er die schmale Holzbrücke überquerte, welche ein Stück stromabwärts tiefer ins Tal führte.
    An einem schneidend klaren Morgen hatte Greider schließlich auch zum ersten Mal das hinterste Ende des Tals erreicht. Er war früh losgezogen, kaum dass ein schmutziges Rosa über den Gipfeln aufgeblüht war, am Saum eines Himmels, in dem noch die kalten Nadelstiche der Sterne zu sehen waren. Er hatte keine Station gemacht, hatte nur seinem Tier hin und wieder eine kurze Rast gegönnt. Langsam war es hell geworden um ihn, hatten sich Schwarz und Weiß, die anfänglich nur zwei unterschiedliche Schattierungen des alles

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