Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
Vom Netzwerk:
aus dem Wald heraustrat, daran gab es keinen Zweifel. Kaum war Greider auf der Kuppe erschienen, da hatte einer von ihnen, dessen Augen vielleicht zufällig genau auf diese Stelle gerichtet waren, zu den anderen ein paar knappe Worte gesagt und mit dem Kopf in Greiders Richtung gedeutet. Alle hatten darauf ihren Blick zu dem Ankömmling gewandt, und seltsam mochte einem nur vorkommen, wie wenig Überraschung über sein Erscheinen sie dabei an den Tag legten. Als sie dann wenig später losritten, grüßte jeder – sobald er den sanften Hang herauf an der Stelle angelangt war, an der Greider mit seinem Maulesel am Waldrand stand – den Maler wortlos und mit Blicken, die von spöttischer Höflichkeit bis zu drohender Abschätzigkeit reichten, indem er zwei Finger an die Hutkrempe hob. Der Älteste mit dem Vollbart war der Einzige, der dabei den Gang seines Pferdes verlangsamte, und seine Augen funkelten am feindseligsten herüber. Greider erwiderte jeden Gruß auf gleiche Weise, aber mit einem Lächeln, das von einer Selbstsicherheit kündete, der nicht allzu viel zur Unverschämtheit fehlte.
    Während sie an Greider vorbeiritten, sprachen die Brenner-Söhneuntereinander kein Wort, und als ihre Stimmen wieder vernehmbar wurden, da waren sie nur ein ununterscheidbares Murmeln, das sich unter die anderen, schon immer ferner und undeutlicher werdenden Geräusche ihres Zuges mischte.
    Bald war wieder Stille eingekehrt, die nun, nach diesem ersten großen Menschenlärm des Tages, noch tiefer schien als zuvor. Greider band sein Tier an einen Baum, wo es geschützt stand und nur eine dünne Schicht Schneestaub den Waldboden bedeckte. Dann holte er endlich seine Utensilien aus der Tasche, postierte sich auf einem umgestürzten Baumstamm auf dem Kamm der kleinen Anhöhe, studierte eine Weile wach und genau den kauernden Hof und begann dann zu arbeiten.
    Greider hatte bald drei, vier Blätter mit Skizzen des Guts gefüllt: mit einer vollständigen Ansicht, wie es am Fuß der Felswände lag und die natürliche, kesselartige Nische für sich in Beschlag nahm, die sich hier zwischen Berghalbrund und Waldsaum auftat; mit der großen Scheune, die links, und den Stallungen, die rechts neben dem Haupthaus lagen, im Vordergrund der Brunnen inmitten des großzügigen Platzes, welcher sich hinter dem Zaun erstreckte; und mit Detailstudien der einzelnen Gebäude – die meisten und ausführlichsten dem Wohnhaus gewidmet. Die Arbeit schritt zügig voran, und doch war mittlerweile wohl eine Stunde vergangen, ohne dass auf dem Hof sich eine Spur von Leben geregt hätte außer dreier junger Katzen, von denen gelegentlich eine um eine Hausecke herumspazierte oder durch einen Türspalt gekrochen kam und sich dann, nachdem sie kurz den Schnee inspiziert hatte, doch wieder in eines der Gebäude trollte.
    Ab und zu drang ein Muhen aus dem Stall, doch sonst war es hier nicht weniger still als zuvor im Wald.
    Und dennoch kam aus dem Kamin, der aus dem schwarzen Dach des Hauses wuchs, beständig Rauch, der kerzengerade in die eisklare Luft stieg, um sich in ihr bis zur Unsichtbarkeit zu zerfransen.
    Als Greider eine Skizze dieses Kamins ausgeführt hatte, erhob er sich, schüttelte sich die Kälte aus dem Leib, klemmte seinen Block unter den Arm, band das Tier los und führte es zurück auf den Weg. Doch er wandte sich nicht zurück zum Wald, sondern hinab in die Senke. Er stieg nicht auf den Maulesel, sondern schritt ihm, die Zügel in der Hand, voran auf den dunklen Hof zu, bis es nur noch wenige Schritte zu dem Zaun hin gewesen wären. Dort verließ er wieder den Weg und stapfte ein paar Meter weit ins freie Feld, bis zu einer mächtigen, einsam stehenden Tanne, um deren Stamm herum dank des Schutzes der ausladenden Äste nur dünn Schnee lag. Hier band er das Tier erneut an und öffnete, sich an den Stamm lehnend, ein weiteres Mal den Zeichenblock.
    Der Mittag war noch nicht allzu lang vorbei, aber weil die steilen Bergwände dem Licht hier nur einen schmalen Durchlass gewährten, genügte diese Zeit schon, dass es merklich dämmriger wurde in der Senke. Vielleicht lag es daran, dass Greider jetzt zum ersten Mal einen flackrigen Schein bemerkte, der aus einem kleinen Anbau neben dem Stall auf den Schnee fiel, welcher sich langsam wieder von Weiß ins Bläulich-Graue zu färben begonnen hatte. Aber hätte ihm wirklich auch die zweite Rauchsäule entgehen können, wenn sie sich schon die ganze Zeit wie jetzt aus dem steinernen Schornstein geringelt

Weitere Kostenlose Bücher