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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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beiden in unzähligen kleinen Gesten und Worten ihre Bahn brechen – und tat dies auch, wann immer sie sich unbeobachtet fühlten.
    Da auch der Besuch Luzis und der Gaderin auf dem Hof von Lukas’ Eltern mit bestem Erfolg verlaufen war, da die kranke Bäuerin, die durch die Anwesenheit der Jugend und Freude eine Weile auf ihre eigenen Leiden vergessen hatte, nicht nur keine Einwände gegen die Wahl ihres Sohnes hatte, sondern auch sie den Bauern jetzt bedrängte, der Verbindung bald und rückhaltlos seinen Segen zu geben, und der Bauer sich durch das zweite Treffen in seinem Beschluss nur bestätigt fand – nun, da wurde also die Verlobung von Lukas und Luzi zwei Wochen später endlich offiziell. Und die Verliebtheit der beiden nur noch größer.
    Für übertriebene Anstands-Gepflogenheiten gab es hier im Hochtal weder Grund noch Geduld, und so legte man keinen Wert darauf, die Verlobungszeit unnötig auszudehnen. Dass zwei einander versprochen wurden, das hieß schon, dass sie einen baldigen Termin zur Hochzeit ansetzen konnten. Worauf hätten sie auch warten sollen? Für ausladende Feiern, die viel Vorbereitung benötigt hätten, war ohnehin keiner reich genug; die wenigen Einladungen waren angesichts der geringen Zahl an Bewohnern des Tals schnell ausgesprochen, und dieser Mangel an Menschen brachte es auch mit sich, dass, wenn zwei sich gefunden hatten, selten jemand Interesse hatte, sie lange von ihrem Glück – oder zumindest vom Eheleben – abzuhalten. So wurde für Lukas und Luzi ein Sonntag im späten Februar zur Vermählung ausgewählt, und fortan konnten sie die Tage zählen, die noch blieben bis zu dem freudigen Ereignis.
    Aber da geschah allmählich eine seltsame Verwandlung mit Luzi und mit Lukas, der jetzt mindestens zweimal in der Woche im Haus erschien, um den Abend mit seiner Verlobten und der Gaderin dort in der Stube zu verbringen. Freilich, eines war so, wie es Greider erwarten durfte: Die Aufregung des Mädchens wurde, je näher der vorbestimmte Tag rückte, größer und größer. Und bald stellte sich auch wieder die Geschäftigkeit ein, mit der sie begann, alle nötigen – und mehr als nur ein paar unnötige – Vorbereitungen zu treffen. Doch die Vorfreude schien nicht im gleichen und steten Maße mitwachsen zu wollen.
    Nicht, dass sie ganz verschwunden wäre. Wann immer Luzi mit Lukas zusammen war, spürte man sie, und dann konnten es beide sichtlich kaum erwarten, dass sie endlich als Frau und Mann zusammenleben konnten. Dann gab es keine Zweifel, dass die beiden sich liebten wie eh und je, und dass diese Liebe keine Einschränkungen, keine Bedingungenkannte. Doch manchmal, wenn das Gespräch auf die Hochzeit selbst kam, und öfter noch, wenn Luzi nur mit ihrer Mutter zusammen oder gar allein war, dann kam etwas wie ein Schatten über die Stimmung, dann wurden die Mienen plötzlich nachdenklich und trüb und etwas Unausgesprochenes ging durch den Raum.
    Greider hatte genug Gelegenheit, das mitzuerleben. Seit auch Lukas ihm freundlich gesonnen war, war er bei den Treffen der beiden im Haus der Gaderin, die ohnehin des Anstands halber von der Mutter beaufsichtigt werden mussten, ein gern gelittener Gast. Und er beobachtete diese Momente genau, die meist so schnell wieder verschwanden, wie sie gekommen waren – aber er vermied es, sich das anmerken zu lassen, und nie sprach er einen der drei darauf an.
    Er selbst hatte seine regelmäßigen Streifzüge durchs Tal wieder aufgenommen, aber seltener als früher führte er dabei seine Zeichenutensilien mit sich, und noch seltener brachte er sie wirklich zum Einsatz. Zugleich aber blieb das Gemälde in seiner Kammer verhüllt und unfertig in der Ecke stehen, und über Wochen tat er keinen einzigen Pinselstrich daran.
    Es war eine seltsame Zeit des Wartens, der ereignislosen Unruhe. Nichts tat sich im Tal außer der täglichen Verrichtungen, die das Überleben von Mensch und Vieh in guter Ordnung sicherten. Aber auch sie waren, solang der Schnee schwer und farblos über allem lag, reduziert, waren weniger Arbeit im wahren Sinne – denn sie brachten kaum etwas hervor –, sondern mehr ein geschäftiges Ausharren. Zwei Wochen ließ sich die Sonne nicht blicken, tagsüber wurde der Himmel lediglich milchig, und die Zeit geriet noch unwirklicher. Eine bewegte Starre schien das Tal erfasst zu haben, in der sich jeder Tag im Kreis drehte.
    Und doch trieb alles auf irgendein Ziel zu. Luzi und Lukas hatten ihre Hochzeit, die einen klaren und

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