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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Kamin, lag eine Frau, deren Unterleib entblößt war, die Röcke hoch bis über das Gesicht geschoben. Seit sie alle aus dem Leben gerissen wurden, musste schon eine Weile vergangen sein: Das verrieten nicht nur der bestialische Gestank, sondern auch ihre aufgeblähten Bäuche und die Schwärme von Fliegen, die sich an den Leibern gütlich taten und an den schimmligen Überresten ihres Abendmahls, und die darin ihre krabbelnde, weiße Brut gelegt hatten.
    Der Junge presste sich nun doch an seine Mutter, und sie strich ihm über den Kopf. Kutscher und Marshal stießen Flüche aus – so sehr, um die Unmenschlichkeiten zu verwünschen, die wer auch immer hier angerichtet hatte, wie um ihrem Entsetzen ein Ventil zu geben. Nur Holden schien völlig ruhig, und hätte die Situation so einen Gedanken nicht unmöglich gemacht, man hätte meinen können, dass gar ein Glanz in seinen Augen lag. Die meisten der Fliegen hatten sich wieder beruhigt und zum buchstäblichen Leichenschmaus niedergelassen. Nur kleine Wolken summten noch aufgeregt um die Neuankömmlinge oder entwischten ins Freie.
    Die Frau und der Junge hatten nun wirklich genug gesehen und machten sich auch wieder hinaus, ließen Luft und Strahlen der Frühabendsonne die schlimmste, erste Schärfe des Schocks vertreiben. Die Männer sahen es als ihre Pflicht, ihnen erst zu folgen, nachdem sie das Geschehene genauer erkundet hatten. Doch diese Pflicht erledigten sie so hastig wie möglich.
    Schließlich stand die Gruppe wieder vor der Kutsche versammeltund die Männer erstatteten Bericht: Banditen mussten die Station überfallen haben. Männer, wie sie noch oft umherstrichen, vom Krieg geformt und danach fallen gelassen, Männer, denen man beigebracht hatte zu töten, denen man Grausamkeit als Heldenmut verkauft hatte und Unmenschlichkeit als Pflicht. Und die keinen Weg zurück aus der Zügellosigkeit gefunden hatten – oder Gefallen an ihr. Der Tote neben der Eingangstür war offenbar einer von ihnen gewesen, das zeigte seine Rebellen-Bluse und das um den Hals gehängte Lederband, an dem grausige Trophäen aufgereiht waren. Der Marshal wollte diese nicht näher beschreiben – Holden aber zupfte sich mit der einen Hand am Ohrläppchen und machte mit der anderen sägende Bewegungen dort, wo das Ohr am Kopf ansetzte. Die sich verteidigenden Gäste mussten diesen Banditen erschossen haben; seine Kumpane hatten ihn einfach zurückgelassen, nachdem sie alles an Wertsachen und Waffen zusammengerafft hatten, was sie in die Hände bekommen konnten. Dem Mann im Stuhl hatten sie offenbar sogar die Goldzähne herausgebrochen.
    Alle in der Gruppe waren bleich geworden – und nur zum geringeren Teil wegen der schrecklichen Vorstellung, was den Menschen in der Station widerfahren war. Was sie noch mehr entsetzte, war das Wissen, dass nur ein paar Tage Unterschied in der Reiseplanung, die ein oder andere schneller zurückgelegte Etappe gefehlt hatten und sie wären jetzt an deren Stelle.
    Eine Zigarettenlänge zeterten der Marshal und der Kutscher über die Barbarei, dann aber musste man sich wohl oder übel einem unmittelbaren Problem stellen: Man wusste von den letzten Tagen hier an den Rändern der Wüste, dass mit der sternklaren Dunkelheit auch eine markdurchdringende Kälte aus dem Osten heranrauschte. Wenn man die Nacht nicht im Freien verbringen, wenn man essen und aufMatratzen ruhen wollte, dann blieb dazu keine andere Möglichkeit als die Station – ganz gleich, welches Grauen sie im Moment beherbergte.
    Letztlich gab es nichts zu diskutieren: Die Erwachsenen banden sich Tücher vor die Nase und kehrten in das Haus zurück. Die Männer hatten versucht, die Frau davon abzuhalten, doch die hatte sie nur abschätzig angeschaut. Während jeder der drei einen der Toten zur Tür schleifte, um sie dann gemeinsam ins Freie zu heben, ging sie zu der Frauenleiche, richtete ihr, so gut es ging, die zerrissenen Kleider, schloss ihr die Lider über den im Schmerz starr gefrorenen Augen und säuberte mit einem durch Spucke befeuchteten Tuch das Gesicht von Blutspuren.
    Am Horizont begannen die Ränder ferner Berge an der Sonne zu nagen, als alle Leichen aus dem Haus gebracht waren, die Fliegen verscheucht, die Möbel wieder aufgestellt, die schlimmsten Spuren des Kampfes beseitigt, die Blutflecken aus den Dielen gescheuert oder unter Sägespänen verborgen waren. In der Küche hatte man noch die übel zugerichtete Leiche des Wirts gefunden, und da hatte selbst der sonst so zähe

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