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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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zweiten unerwarteten Läutens innerhalb so kurzer Zeit sei.
    Er kehrte in der Abenddämmerung zurück, und der Bericht, den er zu erstatten hatte, glich auf grausige Weise dem, den er erst unlängst ins Haus getragen hatte. Denn wieder war es einer der Söhne des Brenner, den der Herr in einemseiner unergründlichen Ratschlüsse so scheinbar lang vor seiner Zeit zu sich gerufen hatte. Und wieder war es offenbar ein schauerlicher Unglücksfall, mittels dem der Mann ins Ewige Leben geholt wurde – ohne dass man genau hätte sagen können, was ihm zugestoßen war. Es handelte sich um den Zweitältesten, jenen der beiden Vollbärtigen, der nicht die Anführerrolle unter den Brüdern spielte. Er war zwei Tage zuvor in der Früh aufgebrochen, um im Bergwald Wild zu schießen, und war weder wie verabredet am Abend des selbigen Tags noch am darauffolgenden heimgekehrt. Auf dem Hof hatte man begonnen, sich Sorgen zu machen – aber nicht übermäßig, denn es konnte vorkommen, dass einer beim Jagen unerwartet auf eine besondere Fährte stieß und sie zu verfolgen beschloss, und in der Anhöhe der das Tal einkesselnden Bergwand gab es eine kleine Jagdhütte – einen Unterstand fast eher –, die dem abgehärteten Gast selbst im tiefen Winter hinreichend Schutz bot. Der Brenner-Sohn war ein erfahrener Hubertusmann, und wenn man sich nicht täuschte, dann hatten am zweiten Tag auch einmal Schüsse aus der Höhe gehallt. Dennoch hatte man am dritten Tage beschlossen, drei der anderen Söhne loszuschicken, ein bisschen Ausschau zu halten und die Leute im Dorf zu bitten, ebenfalls die Augen offen zu halten.
    Doch als sie sich dem Dorf näherten, kam man ihnen bereits mit schrecklicher Kunde entgegen: Der Bruder war gefunden. An diesem Morgen hatte ihn der Gebirgsbach ins Rad der Mühle getragen und dieses krachend zum Halt gebracht. Was Frost und Wasser der Leiche nicht schon an Entstellungen beigebracht hatten, das hatte das Mühlrad an übrigem Übel getan, und so war unmöglich zu entscheiden, was sich zugetragen hatte: Ob der Mann lebend in den Bach gestürzt und dort ertrunken war, ob etwas ihn davor verletzt hatte oder getötet, und wenn dies der Fall war, ob Tier,Wetter oder Gefahren des Bergs ihm das Unheil zugefügt hatten.
    Gewiss war nur, dass wieder ein Sohn des Brenner tot und schlimm zugerichtet auf einem Schlitten inmitten des Dorfplatzes lag. Diesmal allerdings nahmen die drei Brüder, sobald sie sich in ihrer ersten Bestürzung gefangen hatten, diese finstere Fracht gleich mit auf den unseligen Heimweg, sodass den Bewohnern des Dorfs erspart und verborgen blieb zu erleben, wie der alte Brenner diesen Schlag aufnahm, der ihm so kurz nach dem vorangegangenen versetzt wurde.
    Seinen Bericht hielt Greider, der das meiste davon auch nur aus zweiter Hand empfangen und aus verschiedenen Quellen zusammenfügen konnte, kurz und nüchtern. Er verzichtete darauf, der Gaderin und Luzi Einzelheiten vom Zustand des toten Körpers zu erzählen, dessen er tatsächlich selbst noch ansichtig geworden war. Und insbesondere enthielt er ihnen die Skizzen vor, die er auf seinem Zeichenblock gemacht hatte.
    Diese holte er erst später auf seiner Stube hervor, und er nahm das Tuch von der Leinwand auf der Staffelei, packte Pinsel, Farben und Palette aus, und in den nächsten Stunden gesellte sich zu der einsamen Gestalt auf dem Bild eine zweite.
    Vielleicht war es die Sachlichkeit des Berichts, vielleicht war es die unvermeidliche Abstumpfung auch des schlimmsten Schreckens durch Wiederholung, vielleicht war es das diesmalige Ausbleiben des tragödienhaften Auftritts des Brenners – jedenfalls nahmen die Gaderin und Luzi die Mitteilungen Greiders erstaunlich ungerührt auf. Freilich, man fand schlimm, was geschehen war, schüttelte den Kopf über das Unglück, bekreuzigte sich um der armen Seele willen, und dass man selber von solchen Schicksalen verschont bleibe. Aber konnte bei gutem Willen von Anteilnahme geradenoch die Rede sein, so war von Trauer keine Spur zu fühlen.
    Mochte sein, dass das auch mit der baldigen Hochzeit zusammenhing. Diese ließ, je näher sie rückte, immer geringeren Raum in Kopf und Herzen der beiden Frauen für anderes. Ja, das mochte sein – dass wenig Platz war für Mitleid mit dem Brenner, beim Gedanken an die bevorstehende Hochzeit.
    Nach Totenfeier und Begräbnis des zweiten Brenner-Sohnes – einer bedrückenden Abwechslung, die weder willkommen noch angenehm geheißen werden konnte – kehrte die

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