Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal
war, begrüßte die Mutter. Die hatte die Tür nur einen guten Spalt weit geöffnet, doch alle Hoffnungen, sie womöglich vor unerwünschtem Besuch schnell wieder zu schließen, waren gleich vergessen. Noch während er mit höflichen Worten fragte, ob es gestattet sei, einen Moment das Haus zu betreten, drückte der Bärtige die Tür so weit auf, dass der Frau nichts blieb, als zur Seite zu treten und mit einer verlegenen Geste bereitwillige Gastfreundschaft zu bedeuten. Die Männer stapften herein und stellten sich breitbeinig inmitten der Stube auf.
Doch wenn die Frau ihnen schon nicht den Eintritt hatte verweigern können, ließ sie sich ihrerseits wenigstens eins nicht verwehren – und das war, die Tochter hinauszuschicken in die Schlafkammer und deren Tür abzuschließen. Freilich presste das Mädchen dennoch sein Ohr an das Holz, um zuhören, was im angrenzenden Raum gesprochen wurde. Aber es vernahm nur ein lautes, unverständliches Gemurmel.
Erst eine gute Weile später – als die Männer das Haus verlassen hatten und die von der Unterredung sichtlich mitgenommene Mutter ihre Fassung wiedergefunden hatte – nahm sie die Tochter beiseite, wo der blass und einsilbig gewordene Vater sie nicht störte, und brachte ihr so behutsam wie möglich und in ihren eigenen Worten bei, an welches Versprechen man sie da eben erinnert hatte.
Als der Mann begriff, was er sah und was das bedeutete, und als er seinen geschundenen Körper noch einmal zur Gegenwehr aufraffen wollte, war es zu spät. Der Bub und der jüngste der Männer hatten seine Arme fest gegen den Balken gedrückt, und der Bärtige hatte dem Hünen geholfen, die Hufnägel anzusetzen. Die stumpfe Spitze des ersten presste sich in die weiche Fläche der linken Hand des Mannes. Aber gerade als der Schmied zum ersten Schlag des Hammers ausholen wollte, wurde er von Breiser scharf zurückgehalten.
Die Männer hatten den Nagel so platziert, wie sie es ihr Lebtag gemalt und geschnitzt, auf Bildern, Altar und Marterln gesehen hatten. Aber Breiser war ein studierter Mann und wusste über die wahren Gebräuche der Römer Bescheid. »So reißt’s aus!« herrschte er sie an und bohrte zur Demonstration seinen rechten Zeigefinger in seine linke Handmitte, um ihn dann zwischen Ring- und Mittelfinger nach außen wischen zu lassen, so wie das Eisen bei Belastung durch das dünne, bloße Fleisch gleiten würde.
Er ergriff den Nagel und setzte ihn inmitten der Handwurzel neu an, zwischen Sehnen und Knochen, die ihm belastbaren Widerstand gewähren würden.
»So hält’s«, verkündete er zufrieden.
Die junge Frau blickte mit so viel Hass in das Gesicht des Pfarrers, wie die Zeremonie nur erlaubte. Sie stand vor ihm am Altar, um vermählt zu werden mit dem von ihr geliebten Burschen. Und wäre die Achtung vor der Heiligkeit des Sakraments und vor der Würde des Amtes des Geistlichen allein nicht ausreichend gewesen, um dem Mädchen Zurückhaltung aufzuerlegen, so war doch die Freude echt und unauslöschbar, dass sie – was immer auch davor zu überstehen und überwinden war – doch hier der Erfüllung ihrer größten Träume und Wünsche endlich nahe kam.
Aber sie konnte nur mit Mühe dulden und mitnichten verzeihen, dass Breiser wusste, was sie erwartete, und dass er es im wahrsten Sinne absegnete. Dass er seine heiligen Worte und kirchlichen Gesten in den Dienst dieser Sache stellte und sie damit für eine gottgewollte Ordnung erklärte. Auch in ihrem baldigen Mann gärte es sichtlich, doch nur sie war es, die ihren Zorn nach außen kehrte, die ihn nicht mit niedergeschlagenem Blick und unmerklich zitternd in sich hinein lenkte, sondern die ihn wenigstens aus ihren Augen blitzen ließ.
Freilich kümmerte das Breiser wenig. Wenn, dann wunderte es ihn höchstens ein bisschen. Denn denen, die hier im Hochtal vor seinen Altar traten, denen war selten das Aufbegehren – wie bescheiden auch immer – gegeben. Die gehorchten und kuschten; selten freudsam, aber stets mit der Ergebenheit in das vermeintlich unverrückbare Schicksal, welche die Herde von den Hirten schied. Deshalb schien ihm auch so ein fruchtlos zorniger Blick schon das Denkbarste an Widersetzung. Und so witterte er nicht, dass es mit diesen beiden vor ihm noch mehr, noch andere Schwierigkeiten geben könnte.
Es geht ein Hufnagel – stumpf, dick und kantig, wie er ist – nicht leicht durch Haut und Fleisch. Aber der Schmied war kräftig, geschickt, und er hatte Geduld.
Die Abendluft war lau und
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