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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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zu dem Fremden laufen.
    Einen Augenblick schien Luzi zu zweifeln, ob das nicht eine Falle sein mochte. Einen Augenblick schaute sie fragend auf den breiten Rücken in seiner Felljacke, auf den schwarzen Hut, als könnten die ihr etwas verraten über das Gesicht des Kommandierenden, das sie nicht sehen, nicht lesen konnte. Dann aber begriff sie wohl, dass dies auf jeden Fall die beste, die einzige Chance sein würde, jenem Schicksal zu entgehen, mit dem sie sich beinahe schon abgefunden hatte. Und sie sprang auf, machte einen Satz von der Kutsche hinab in den Schnee und rannte, ihre Röcke raffend, so schnell sie konnte auf Greider zu. Der hatte das Gewehr wieder aus dem Anschlag genommen, hielt es aber – den Kolben auf den rechten Beckenknochen gestützt, den Finger noch immer am Abzug – jederzeit schussbereit, während er seine Linke der keuchenden Luzi entgegenstreckte und ihr zuversichtlich zulächelte, damit sie sich nicht so oft angstvoll nach den Brenner-Söhnen umschaute.
    Die mussten tatenlos zusehen, wie ihre noch vor wenigen Minuten sicher geglaubte Beute schließlich den Fremden erreichte. Sie warf sich ihm entgegen, umarmte ihn, klammerte sich an ihn wie an einen tot geglaubten Bruder, und Greider hatte regelrecht Mühe, seinen Stand nicht zu verlieren, seinen Blick nicht von den anderen abzulassen. Er legte den linken Arm um die junge Frau, drückte sie tröstend, versichernd an sich und gebat ihr schließlich, sich hinter ihn, in seinen Schutz zu stellen.
    Nun aber war wieder ein Patt erreicht. Greider hatte zwar die Frau aus den unmittelbaren Fängen der Brennerschen befreit. Aber die standen zwischen ihm und dem vorderen Teil des Tals.
    Dies war ihnen offenbar auch bewusst, und ihre Gesichterwurden plötzlich hämisch, überkrochen vom plötzlich zurückgewonnenen Glauben an einen Sieg.
    Doch Greider gab ihnen das vorfreudige Grinsen nicht minder breit zurück. Wie ein spielendes Kind mit dem Finger, zählte er die vier Männer mit dem Gewehrlauf ab und befahl ihnen dabei: »Runter vom Pferd, runter von der Kutsche!«
    Die Brüder blickten alle auf den Bärtigen, in der Erwartung, er würde ihnen anzeigen, was zu tun sei – er würde nun endlich diesen unverschämten Eindringling und Einmischer in seine Schranken weisen. Aber der Bärtige überlegte.
    Er und Greider schauten sich lange an, herausfordernd, abschätzend, sich behauptend. Es war ein Disput ohne Worte, ein Kampf ohne Hiebe, es war, in vielerlei Sinnen des Wortes, eine Auseinandersetzung. Und sie schienen einander dabei so sehr zu verstehen wie zu hassen.
    Seine Brüder waren verblüfft, wenn nicht gar entsetzt, als der Bärtige nach einer kleinen Ewigkeit sie aufforderte, Greiders Befehl zu gehorchen, und er selbst als Erster seine Peitsche und die Zügel auf den Kutschbock legte und von dem Gefährt herabstieg. Aber dies, und alles was dem folgte, war – auch wenn es so schien – keine Aufgabe und keine Unterwerfung. Es war nur ein notwendiges Schauspiel nach der stummen Übereinkunft, die der Fremde und der Einheimische erlangt hatten.
    Es war nicht mehr als das Zugeständnis, dass dies nicht der Ort und nicht der Zeitpunkt waren für die wahre Konfrontation zwischen ihnen – noch nicht. Ein Schauspiel war unterbrochen, vorzeitig beendet worden, doch ein anderes, nicht minder altes, großes kündigte sich an. Aber dem wollte erst die Bühne bereitet sein. Es war, als hätten Priester einer verschollenen Kultur die Omen gelesen, dass ihr Ritual noch eines kleinen Aufschubs bedurfte. Bis der Himmel auch die letzten Achsen in Konjunktion gebracht hatte.
    Und weil dem so war, weil auch der Älteste des Brenner davon überzeugt war, hätte Greider in Wirklichkeit sein Gewehr nicht mehr gebraucht, hätte ein Wort der Verständigung, vielleicht sogar – absurde Vorstellung! – ein Handschlag gereicht. Aber was sich da in seiner vollen Wahrheit zwischen ihnen abgespielt hatte, das hätten diese beiden Männer kaum sich selbst bewusst einzugestehen vermocht. Es den anderen zu erklären wäre vollends ausgeschlossen gewesen.
    Und so drohte Greider den Brüdern weiterhin mit seinem Gewehr, ließ sie die Kutschpferde abspannen und den Jüngsten alle Rösser zusammenführen. Er zwang die anderen, eines der Wagenräder zu zertrümmern. Und er dirigierte die Männer an eine Stelle am Flussufer, ein gutes Stück von der Brücke entfernt. Drei von ihnen murrten dabei unablässig, schienen nur auf eine Gelegenheit zu warten, Greider doch

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