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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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anzugreifen. Und hätte ihr ältester Bruder nicht alles ruhig und widerspruchslos über sich ergehen lassen, hätte er die anderen nicht immer wieder beschwichtigend angehalten, keine Dummheit angesichts des Bewaffneten zu begehen, dann hätte wohl früher oder später bei einem von ihnen die Wut die Oberhand über die Vernunft gewonnen.
    So aber konnten schließlich Greider und Luzi unbehelligt zu den herrenlosen Pferden schreiten, zwar die Brennerschen ständig in Schach haltend, aber ohne dass wirkliche Gefahr von ihnen drohte. Greider wollte Luzi behilflich sein beim Besteigen eines der Pferde, doch sie schwang sich behände in den Sattel, noch bevor er ihr auch nur den Steigbügel halten konnte. Als kurz darauf auch Greider auf einem der Gäule saß, begannen die Brenner-Brüder endlich Anstalten zu machen, sich ihnen zu nähern, zumindest ihnen zu folgen, sobald sie losreiten würden.
    Greider drehte sein Pferd herum, sodass er das Gewehr,über die Beuge des linken, den Sattelknauf haltenden Arms gelegt, genau auf die Männer richten konnte.
    »Eure Stiefel!« befahl er ihnen mit herrischem Humor.
    Die Männer verstanden zuerst nicht richtig – aber als sie begriffen, was er von ihnen verlangte, gifteten sie ihn zornig an. Greider ließ ihren Schimpf an sich abperlen und spannte mit einem laut vernehmbaren Klacken den Hahn. Noch immer weigerten sich die Männer. Greider legte das Gewehr an die Schulter und nahm Ziel für einen Warnschuss. Doch bevor er abdrücken musste, gab wieder der Bärtige scheinbar klein bei. Freilich fehlte nicht viel, und auch er hätte sein Einverständnis gekündigt, hätte alles Gefühl von höherer Richtigkeit in den Wind geschrieben und sich dem befriedigend dummen Rausch der aufbegehrenden Tat hingegeben. Doch einmal mehr zwang er sich zur Räson und ging mit gehorchendem Beispiel voran. Und so zogen die Männer fluchend ihre Stiefel und Strümpfe aus und standen, von einem Bein aufs andere tretend, barfuß im Schnee.
    Der Himmel war dunkler geworden – dunkler, als allein die Dämmerung zu verantworten hatte. Die Schneewolken waren von den Himmelsrändern übergekocht, erste Flocken konnten sich schon nicht mehr in ihnen halten, taumelten durch die frostig gewordene Luft.
    »In den Bach!« kommandierte Greider und zeigte mit dem Gewehrlauf den Bogen an, in dem sie ihr Schuhwerk in das Gewässer schleudern sollten. Das Schimpfen der Männer wurde lauter, doch es hatte an Überzeugung verloren. Mit der Durchsetzung seines vorigen Befehls hatte der Fremde ihren wahren Willen zum Widerstand gebrochen. Da hatte sich endgültig entschieden, ob sie ihm gehorchen oder sich widersetzen würden. Alles, was jetzt noch an Widerworten kam, diente nur dazu, die Niederlage nicht so demütigend aussehen zu lassen. Bald platschte Leder in eisiges Wasser, undGreider konnte sicher sein, dass er und Luzi so schnell nicht verfolgt würden.
    Er griff nach den Zügeln der zwei Kutschpferde und vertäute sie an seinem Sattel. Bevor er und Luzi durch den aufkommenden Schnee zurück in Richtung Dorf ritten, wandte er sich noch einmal um.
    Er hielt sein Gewehr vor sich und rief dem Bärtigen zu: »Vor euerm Hof. Morgen. Bei Sonnenaufgang.«
    Dann preschten sie los.
    Erst als sie die Männer weit hinter sich gelassen hatten, verlangsamten Greider und Luzi den Lauf der Pferde. Zwar konnten sie sicher sein, dass die Brennerschen – ohne Gäule, ohne Kutsche und barfuß im mit scharfer Eiskruste überfrorenen Schnee – sie nicht verfolgen würden. Aber das Wissen und das Gefühl waren zweierlei, und Luzi wurde erst etwas ruhiger, als auch Augen und Ohren der anderen sie gewiss längst nicht mehr erreichen konnten.
    Der Ritt im Galopp war noch wie eins gewesen mit der Spannung zuvor, stand noch ganz unter derselben Sorge, ob die Rettung gelingen würde. Aber als sie nun in den Trab übergingen, war diese erste Szene abgeschlossen, und sie traten in das große Danach ein, das jedem Drama folgt und das der so viel schwierigere Teil ist.
    Das Schlagen der Hufe, das kehlige Stoßen des Atems von Mensch und Tier, das dröhnende Rauschen des Bluts in den Ohren machte einer verhältnismäßigen Stille und Ruhe Platz, ließ das abendliche Winterschweigen der Außenwelt wieder herantreten – und das erlaubte auch den Gedanken, aus ihrem manischen Kreisen auszubrechen und zum ersten Mal wirklich zu betrachten, was eben geschehen war.
    Greider und Luzi hatten noch nichts miteinander gesprochen außer ein paar

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