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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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dieMünder auf. Dem Vater entkam ein Gestammel, weil offensichtlich der Drang, irgendetwas zu sagen, nicht auf passende Worte warten konnte.
    Welche Worte hätten sich aber auch finden lassen? Lukas erstarrte nur für eine Sekunde, dann schob er einfach seinen verdutzten Vater beiseite und riss Luzi in seine Arme, bedeckte sie mit Küssen, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, streichelte und herzte sie – und sie ihn. Es war ein Hunger in ihren Kosungen, als wollten sie einander so fest an sich pressen, so verzehrend küssen, einatmen, dass ihrer beider Leiber eins wurden – damit keiner den einen mehr ohne den anderen besitzen konnte. Für die Momente dieses ersten Rauschs des einander neu Geschenktseins verschwanden alle Welt und alle Menschen um sie mitsamt ihren Fragen, Gründen und Folgen. Da gab es nur dieses Wunder, und das war ihnen alles, und es war ihnen genug.
    Wie alle solcher Ewigkeiten währte auch diese nicht lang. Aber Luzi und Lukas ließen den ganzen Abend nicht mehr voneinander, hielten sich im Arm oder verschränkten zärtlich ihre Hände ineinander. Und solange sie einander spürten, glomm ein Funke dieses ersten Moments für sie weiter und gab ihnen den Glauben der Unverwundbarkeit.
    Die anderen hatten dieses Wiedersehen zuerst mit gerührter Freude mitangesehen, dann hatte sich dazu eine zärtliche Verschämtheit ob seiner Heftigkeit gesellt. So hatten sich diese Ausgeschlossenen schon bald ans erste Erklären und Erzählen gemacht. Als die beiden Jungen endlich wieder aufgetaucht waren aus ihrer Selbstverschlingung, musste freilich auch Lukas noch einmal alles genau auseinandergesetzt werden, und dann war der Rest der Familie von dem Stimmentumult angelockt worden, hatte die drei Ankömmlinge gesehen und mit Ausrufen der Überraschung erkannt, und alle begaben sich schließlich gemeinsam in die Stube – wo bangvon dem Lärm die kranke Mutter saß –, um nun auch den Übrigen zu berichten, welche Bewandtnis es mit diesem wundersamen Erscheinen hatte.
    Greider blieb so lange, wie man ihn benötigte, um alle Einzelheiten von Luzis Rettung beizusteuern und zu bestätigen. Dann gab er noch Rat für die bevorstehende Nacht. Die Gaderin würde freilich mit hier ausharren, die Männer würden wachsam aufbleiben und sicherheitshalber alles zusammenrotten, was sie als Waffe benutzen konnten. Und ein Knecht würde losziehen, um all jene zusammenzurufen, denen man als Freunde vertraute. Viele würden das nicht sein.
    Schließlich aber verkündete Greider, dass er aufbrechen müsse. Die Dankbarkeit für seine unerhörte Tat und eine gewisse Erleichterung bei Lukas’ Leuten, den Fremden aus dem Haus zu haben, konnten aber nicht die leicht wutgefärbte Enttäuschung überdecken, dass ausgerechnet derjenige, der durch sein aufrührerisches Handeln die Gefahr erst ausgelöst hatte, sie nun im Stich lassen wollte. Vor allem Lukas’ Vater war weniger glücklich und zuversichtlich als sein Sohn. Man spürte ihm an, dass er die Rache der Brennerschen fürchtete – und dass er insgeheim fand, dass Lukas’ und Luzis Liebe in seinen Augen nun selbstsüchtig geworden war, weil sie sich nicht mit dem beschied, was bisher allen in diesem Tal genug war. Dass es – sosehr er seinem Sohn das Glück gönnte – ihm lieber gewesen wäre, man hätte nicht seine gesamte Familie zur Geisel seiner Liebe gemacht. Es würde gut für diesen Mann sein, wenn er nie vor die Entscheidung gestellt würde, diese Liebe selbst bis zum Letzten mit zu verteidigen oder sie ihren rächenden Verfolgern auszuliefern.
    Der Bauer schaute Greider ins Gesicht und sagte: »Die wer’n zu uns kommen.« Und das war – mehr als die Bekundung einer Furcht – eine Anklage und eine Herausforderung des Fremden.
    Greider erwiderte diesen Blick offen. Dann schüttelte er leicht und halb lächelnd den Kopf und erhob sich vom Tisch.
    »Ich komm’ zu denen«, sagte er.
    Schließlich hatte Greider sich verabschiedet. Von Lukas’ Vater hatte er einen widerwilligen Händedruck bekommen, von Lukas selbst einen kräftigen, innigen Handschlag und einen Blick tiefer Dankbarkeit. Luzi und ihre Mutter hatten ihn beide umarmt, und in beiden Umarmungen hatte nicht nur dasselbe Gefühl gelegen wie in Lukas’ Blick, sondern auch eine schützende Besorgtheit. Luzi hatte ihm zudem – vorher Lukas mit ihren Augen versichernd, dass er sich nicht das Falsche dabei zu denken brauchte – ein Busserl auf die Wange gedrückt.
    Von allen Verabschiedungen aber die,

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