Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
und nun dieser Einsatz!
Claude hatte allen Seesoldaten den Befehl gegeben, ihre Harnische abzulegen. In feindlichen Gewässern waren sie verpflichtet, stets gewappnet zu sein. Doch hier waren keine Freibeuter aus einem nahen Hafen zu befürchten. Hier galt es allein, gegen die See zu kämpfen, und da halfen Kürasse wenig.
Die Männer standen auf dem Hauptdeck und verfolgten hilflos den Kampf des Schiffs. Die starke Strömung drückte die Windfänger unbarmherzig nach Backbord, auf das Watt zu. Die Ruder waren nicht bemannt und die Ruderlöcher verschlossen, damit die Galeasse in der unruhigen See nicht unnötig Wasser nahm. Auch so waren die Lenzpumpen schon unablässig im Einsatz. Außerdem misstraute Claude den Ruderern. Am Abend vor dem Auslaufen waren mehr als zwei Drittel seiner Ruderer gegen Männer von anderen Schiffen ausgetauscht worden. Sie waren nicht aufeinander eingespielt. Und er wollte das Schicksal des Schiffs nicht in ihre Hände legen.
Die Spanten der Windfänger ächzten unter dem Druck des
Wassers auf den Rumpf. Claude gingen die Zahlen durch den Kopf. In den Lehrbüchern der Seefahrt gab es Zahlen über alles. Wenn er es gut machte und die Galeasse an der richtigen Stelle auf Grund setzte, dann würde nur ein Viertel seiner Männer ertrinken. Wenn er aber einen Fehler beging und es ganz schlecht lief, dann würde nicht einmal ein Viertel überleben.
Der Kampf neigte sich dem Ende entgegen. Backbord sah er die langen Weidenruten im Wasser aufragen, mit denen im tückischen Wattgebiet die Kanäle markiert waren, durch die das Wasser ablief. Ein kleineres Schiff, ein Küstensegler, würde dort hindurchschlüpfen können. Aber keine Galeasse mit mehr als dreihundert Mann an Bord.
Luigi stand ihm genau gegenüber. Der alte Steuermann stemmte sich mit aller Kraft in die Speichen des Rades. Er hatte schon unter Alvarez gedient. Seine Muskeln und Sehnen arbeiteten unter der rauen, wettergegerbten Haut. Sein Gesicht war eine Fratze verzweifelter Anstrengung. Die Augen aber waren voller Hass.
Der böige Wind sang in der Takelage. Eisiger Regen strich fast senkrecht über Deck. »Wir werden sie auf Kiel setzen!«, schrie Claude gegen den Sturm an. »Dort vorne ist ein guter Platz ohne Felsen.«
»Wir schaffen es«, fauchte Luigi. »Der Gezeitenstrom wird bald nachlassen!«
Claude sah die Felsen, die eine halbe Meile voraus aus der tobenden Gischt ragten. Dort würde sein Schiff restlos zerschmettert werden. Vielleicht hatten sie Glück, und die Strömung wurde schwächer. Dann konnten sie die Galeasse aus dem gefährlichen Fahrwasser bringen, und er hätte seinen Befehl nicht erfüllt. Wenn sie aber kein Glück hatten und die Windfänger dort zerschellte, dann würde es nur wenige Überlebende geben.
Der Capitano ließ abrupt das Ruder los. Sofort spürte er, wie das Schiff weiter nach Backbord abdriftete.
»Was tust du da, du Mörder?!«, schrie Luigi auf. »Du Mörder! «
Der Rumpf schrammte über Sand. Es gab einen Ruck, der fast alle von den Beinen riss. Dann kam die Windfänger überraschend noch einmal frei. Wind und Wellen hatten sie über die erste Sandbank hinweggedrückt.
Claude griff nach den Speichen des Steuerrads, um sich hochzuziehen. Er hatte sich ein Knie aufgeschlagen. Jemand am Vorderkastell schrie etwas.
Der zweite Schlag war härter. Der Vormast splitterte und ging samt Segel über Bord. Wie ein Rammbock schlug der Mast, gefangen von der Takelage, im Takt der Meeresdünung gegen den Rumpf.
»Kappt die Seile!«, schrie Claude den benommenen Männern zu. Er entdeckte den Hauptmann der Seesoldaten nahe beim Vorderkastell. »Juan! Sieh zu, dass wir den Mast loswerden! «
Die Strömung drückte das Schiff noch ein Stück weiter auf die Sandbank, dann steckte der Rumpf im Schlick fest, gehalten von der eisernen Faust des Watts. Claude wusste, dass das Schiff nie wieder frei kommen würde.
Er sah zur Küste hinüber. Der Dünenstreifen lag etwas mehr als eine halbe Meile entfernt. Bei Ebbe sollten sie es leicht hinüberschaffen, wenn kein Treibsandfeld zwischen ihnen und dem sicheren Strand lag.
Er drehte sich zur Brücke um. Luigi lehnte schwer gegen das nutzlos gewordene Steuerrad. Seine Lippen waren blutig. Vermutlich hatte er sie sich beim Aufprall durchgebissen. Sibelle, die Nautikerin, schien mit dem Gesicht gegen die Speichen des Steuerrads geschlagen zu sein. Ihr linkes Auge war zugeschwollen, aus ihrer Nase tropfte Blut. Der Regen spülte
es hinab zu ihrem
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