Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Spitzenkragen, der sich langsam rosa färbte.
»Schwester Sibelle, bist du in der Lage, deinen Dienst zu tun?«
Die Nautikerin nickte benommen.
»Dann stell bitte fest, wie viele Tote und Verletzte es gab.«
Die Galeasse hatte leichte Schlagseite nach Steuerbord hin. Claude versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Der Rumpf musste untersucht, die Wasserfässer und Vorräte gesichert werden. Er blickte auf das Deck. Ein Mann lag verdreht an Deck. Sein Kopf war verschwunden. Der stürzende Mast musste ihn getroffen haben. Sonst entdeckte er keinen Toten. »Werft Taue über die Reling!«
Sicher waren etliche Männer beim Aufprall über Bord gegangen. In dem eisigen Wasser würden sie nicht lange überleben. Was war zu tun? Er rief sich die endlosen Nächte ins Gedächtnis, die er über den Seehandbüchern gebrütet hatte. Sie hatten überlebt. Und wie es schien, hatte es deutlich weniger Tote gegeben, als er befürchtet hatte.
Der Anflug eines Lächelns stahl sich auf sein Gesicht. Zum ersten Mal seit langem war er zufrieden mit sich. Er hatte einen verrückten, selbstmörderischen Befehl bekommen. Und er hatte ihn besser gemeistert, als zu erwarten gewesen war.
Etwas glitt über seinen Hals. Schnell. Scharf. Jemand packte ihn von hinten.
Es lief ihm warm in den Kragen. Er griff nach seinem Hals. Spürte die Wunde unter den Fingern. Groß wie ein zweiter Mund klaffte sie in seinem Hals.
»Schiffsmörder!«, zischte ihm Luigi ins Ohr.
ZWEI FRAUEN
Gishild erwachte vom Geräusch prasselnden Regens. Sie tastete neben sich und war erleichtert, dass das Bett leer war. Erek hatte in letzter Zeit die Angewohnheit, sehr früh aufzustehen.
Die Königin drehte sich um und versuchte wieder einzuschlafen. Ob Erek es gespürt hatte? Er ließ sich jedenfalls nichts anmerken.
Sie trafen sich nur unregelmäßig. Und jedes Mal, nachdem sie und Luc sich geliebt hatten, wusch sie sich in der Pferdetränke unten im Stall. Sie gab sich alle Mühe, jede Spur zu verwischen. Gishild seufzte. Sie hatte sich all das anders vorgestellt. Wenn sie Firnstayn verlassen könnte, wäre es leichter. Aber Tag für Tag gab es so viele Entscheidungen zu treffen.
Sie sehnte die Stunde herbei, in der der Angriff der Tjuredkirche begann. Dann endlich konnte sie von hier fort! Ständig fühlte sie sich beobachtet. Jedes Lächeln, jeder Blick war plötzlich vieldeutig.
Sigurd war seit der ersten Nacht im Stall sichtlich gealtert. Der Winter zog herauf. Er hinkte. Der Wetterwechsel ließ ihn die alten Narben spüren.
Gishild drehte sich auf den Rücken und sah die Decke an. Das Zimmer war weiß getüncht. In einer Ecke hing in einem alten Spinnennetz ein vertrockneter Spinnenkadaver. Obwohl er dort schon länger sein musste, war er ihr erst gestern aufgefallen. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis sie sich unrettbar in ihrem Netz von Lügen verfing?
Würden die Jarls sie verurteilen? Sie wussten alle, dass sie sie brauchten. Allerdings machten Gerüchte die Runde,
dass Mandred Torgridson bald zurückkehren würde, um das Fjordland zu retten. So wie er es einst zu König Liodreds Zeiten getan hatte.
Gishild richtete sich auf. Das Brüten half nicht. Sie sollte sich ankleiden.
Kaum dass sie einen Fuß aus dem Bett setzte, wurde ihr übel. Sie schaffte es gerade noch zur Waschschüssel. Mit beiden Händen umklammerte sie den Rand. Es dauerte lange.
Erschöpft ging sie in die Knie und wischte sich mit dem Ärmel über Mund und Nase. Versuchte jemand, sie zu vergiften? Es war das dritte Mal in dieser Woche, dass der Tag so begann. Straften sie die Götter? War sie krank?
Die Bodenfliesen waren eisig. Die Kälte tat gut.
Gishild umklammerte die Knie mit beiden Händen und wiegte sich sanft.
»Du erinnerst mich oft so sehr an deinen Vater, dass es mir schwerfällt zu glauben, dass du auch meine Tochter bist.«
Die Königin fuhr erschrocken herum. Ihre Mutter saß auf dem zerwühlten Bett. Sie trug einen dicken Pelz.
»Du schleichst wie eine Katze«, murmelte Gishild. Roxanne musste lautlos hereingekommen sein, als sie über die Schüssel gebeugt gewesen war.
»Ein ganzes Heer hätte hier durchziehen können, als du die Waschschüssel umarmt hast. Du solltest das Fenster öffnen. «
Sie tat es. Und ärgerte sich. Roxanne hatte ihr gar nichts zu sagen! Auch sie hatte sie bedrängt, Ereks Weib zu werden. Hätte sie sich nur nicht darauf eingelassen!
»Du bist wie Gunnar. Er war ein Dickkopf und Raufbold. Es vergeht kein Tag, an dem ich ihn
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