Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Stunde an seiner Seite gewesen. Sie wusste, dass seine Gedanken damals Gishild gegolten hatten. Er hätte Frieden geschlossen mit den Kirchenrittern, hätten sie ihm nur eine Stunde am Bett seiner verletzten Tochter gewährt. Er wollte ein Lied für sie singen, das von seinem Ahnherrn Mandred handelte. Ein lustiges Lied, das davon erzählte, wie er eine mächtige Eiche betrunken gemacht hatte. Gishild hatte das Lied als kleines Mädchen geliebt. Ein paar Atemzüge später war er tot gewesen. Enthauptet von einer Kanonenkugel.
Fast zehn Jahre waren seitdem vergangen. Und nun sah sie zu, wie Gishild dem Tod entgegenstürmte. Sie sah zu, wie
Kinder von Arkebusenkugeln getötet wurden. Sie sah zu, wie die Tjuredkirche ein riesiges Heer schickte, um eine Stadt zu verschlingen. Yulivee machte sich nichts vor. Die Ordensritter würden alles Leben auslöschen, noch bevor der Morgen kam. Es lag allein bei ihr, dies Schicksal abzuwenden.
Sie hatte sich geschworen, nicht mehr zu töten. Wenn sie den Schwur nicht brach, dann würde sie das Töten zulassen. Sie war zuversichtlich, dass es ihr gelingen würde zu entkommen. Doch auf dem Eis würden jene bleiben, die Gishild vertraut hatten. Und auch das kleine Mädchen, dem König Gunnars letzte Gedanken gegolten hatten, würde sterben. Das Mädchen, das ihr vertraut hatte. Das sie unter all den anderen ausgewählt hatte, sie auf diese verzweifelte Mission zu begleiten.
Yulivee ging in die Knie. Ganz gleich, wie sie sich entschied, sie würde dem Tod in die Hände spielen.
Sie tastete über das raue Eis. Die Kufen hatten tiefe Furchen in die glatte Oberfläche geschnitten. Ihr Zauber verband sie mit der riesigen Eisplatte. Sie war wie ein Teil von ihr. Sie spürte Hunderte von Füßen darauf, das warme Blut, das schnell ein Teil des Eises wurde. Die Körper, die steif wurden.
Ganz gleich, was sie tat, Unheil würde geschehen. Ihre Entscheidung war, ob es jene traf, mit denen sie in den letzten Wochen gelacht und gelitten hatte, oder aber die Krieger, die ins Fjordland gekommen waren, um den Menschen ihre Götter zu rauben. Jene, die Vahan Calyd zerstört hatten und die gewiss erneut versuchen würden, nach Albenmark vorzustoßen, um auch dort das Banner des toten Baumes zu hissen und von dem Gott zu predigen, der alle Magie erstickte, der jeder Welt ihren Zauber nahm.
Sie tastete nach dem langen, schmalen Holzetui, das zwischen den Flöten in ihrem Gürtel steckte. Dort, wohl verschlossen,
ruhte die eine Flöte, die sie seit Gunnars Todestag nicht mehr berührt hatte. Leise klickend öffnete sich der Verschluss. Wie in einem Bett aus geronnenem Blut lag sie da, die Flöte, die aus dem schwarzen Vulkanglas Phylangans geschnitten war.
Yulivee wusste, die Flöte würde all die düsteren Gefühle in ihr noch stärker entfachen. Sie war wie der Blasebalg am Schmiedefeuer. Der Stein fühlte sich angenehm warm an, als sie ihn berührte. Ohne noch zu zögern, führte sie die Flöte an die Lippen. Und sie gab all ihre Wut und Verzweiflung in das Lied, das sie spielte.
Das Eis unter ihr knisterte, als die Kälte immer weiter in die See hinausgriff. Sie wurde gewahr, wie einige unter den Kämpfenden erschrocken innehielten. Jene von zarterem Gemüt spürten, dass sich etwas veränderte. Spürten, dass die Kälte unter ihnen nicht mehr natürlichen Ursprungs war.
Sie wob den Zauber erneut, der eben erst den Feuervogel erschaffen hatte. Was sie dem Meer an Wärme nahm, zog sie in einen winzigen, glühenden Punkt zusammen. Er tanzte in der Dunkelheit und zog feine Lichtlinien hinter sich her. Yulivee spürte die Hitze der Glut auf ihren Wangen. Sie spielte weiter ihr Lied. Aus Linien wurden Formen. Ein Vogel aus Licht und Hitze entstand, nicht größer als eine Faust. Er schlug Kapriolen in der Luft und teilte sich dann wieder und wieder. Die Elfe wollte ihm so seine Machtfülle nehmen, die tödliche Kraft, die einst bewirkt hatte, dass Bronzekanonen unter der Berührung seines Flügels geschmolzen waren.
Bald tanzten hundert und mehr Vögel vor ihr im Dunkel. Sie folgten den Bewegungen der Flöte. Doch je öfter sie die Vögel teilte, desto weiter griff das Eis aus. Sie spürte, wie es den Grund des Hafens berührte und die Fische tötete, die im tiefen Wasser vor dem Frost Zuflucht gesucht hatten. Die Kälte kroch in den nassen Sand der Strände und den Schlamm
der Dämme. Hart wie Stein wurde der Boden. Die Lagerfeuer rings um die Stadt verloschen. Und Angst erblühte in den Herzen
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