Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
entreißen.
»Das, das und das hier kommt in die Kombüse.« Justin balancierte auf einem Bein und deutete mit der Krücke auf einige Säcke, zwei Fässer und einen großen, graublauen Keramiktopf. »Fräulein, du darfst die beiden Fässchen schleppen.«
Alvarez ging in die Hocke und zerrte den Lumpensack auf seiner Schulter zurecht. Als ihm einer der Männer das Fass auf die Schulter wuchtete, stöhnte er leise auf. Seit er Flottenmeister war, verbrachte er weit mehr Stunden an Kartentischen als im Fechtsaal, daran wurde er jetzt schmerzlich erinnert. Er war steif geworden und hatte viel von seiner Kraft verloren. Das hatte er nicht bedacht, als er den Plan für diesen Morgen geschmiedet hatte. Man vergisst halt allzu gern den Tribut, den das Leben fordert, dachte er.
Das raue Holz des Fässchens schrammte an seiner Wange. Schwerfällig richtete er sich auf und setzte sich in Bewegung. Es war angenehmer, einen der Säcke mit trockenen Bohnen oder Linsen zu schleppen. Selbst wenn sie schwer waren, passten sie sich wenigstens ein wenig der Form des Rückens an, der sie trug. Nicht so das Fässchen.
Alvarez biss die Zähne zusammen. Stumm zählte er seine
Schritte, als er den anderen Schauerleuten folgte. Bis zum Liegeplatz der Erengar waren es zweihunderteinundzwanzig.
Auf dem Landungssteg lungerte die Besatzung des Küstenseglers herum. Der Navigator, den man zum Kapitän befördert hatte, ging unruhig auf und ab. Er war ein schlaksiger, junger Mann mit langem, schwarzem Haar. Sein neues braunes Lederwams hatte aufgepolsterte Schultern. Er hielt eine Hand am Rapier, damit es ihm bei seiner unruhigen Wanderschaft nicht zwischen die Beine schlug. Alvarez wusste genau, was der Kapitän dachte. Er wollte sein Schiff unbedingt bei einsetzender Ebbe aus dem Hafen bringen, damit er in der engen Einfahrt nicht gegen die Meeresströmung anzukämpfen hatte. Doch ihm lief die Zeit davon.
Vorsichtig balancierte Alvarez über die wippende Laufplanke an Bord des Küstenseglers. Vor der niedrigen Tür zur Kombüse stellte er das Fässchen ab und wuchtete es dann vorsichtig die drei Stufen zu der winzigen Kammer hinab. Hier gab es eine gemauerte Feuerstelle, um warme Mahlzeiten zuzubereiten. Bei so einem kleinen Schiff war das ein außergewöhnlicher Luxus. Deshalb hatte Alvarez die Erengar für diese Fahrt ausgewählt. Es sollte den Männern an nichts fehlen. Und er brauchte einen Platz, an dem sie ein Feuer entzünden würden.
Mit siebzehn Mann war doppelt so viel Besatzung an Bord, wie nötig gewesen wäre, um das kleine Schiff zu segeln. Es würde eine leichte Überfahrt nach Villusa werden.
Alvarez dachte an einen lang vergangenen Sommer zurück. Vor fast neun Jahren war er auf entgegengesetztem Weg mit Lilianne gereist. Sie waren auf einem alten Aalkutter gesegelt, und ihre Fracht war die störrische, kleine Prinzessin gewesen, die nun die Heere der Heiden und Anderen befehligte. Wie sehr hatte die Welt sich doch verändert seit den Tagen
auf dem Aalkutter! Und wie wenige seiner Träume von einst waren in Erfüllung gegangen.
Er war weiter aufgestiegen, als er es je für möglich gehalten hätte. Als Flottenmeister der Neuen Ritterschaft gehörte er wohl zu den dreißig mächtigsten Männern auf Gottes Erdenrund. Aber glücklich hatte ihn dieser Erfolg nicht gemacht. Ein Kommando über ein gutes Schiff, mehr hatte er sich nie erträumt. Er seufzte und machte sich auf den Weg, um das zweite Fass zu holen.
Diesmal erschien ihm die Last noch schwerer. Tief gebeugt schleppte er sich zum Schiff. Hatte ihm das Trinken und Huren die Kraft geraubt? Oder war es sein schlechtes Gewissen, welches das Fass mit jedem Schritt schwerer werden ließ?
»Heh, Fräulein! Du schnaufst ja wie meine Großmutter auf dem Totenbett. Verzieh dich in die Kombüse und stau die Vorräte, damit wir dich nicht noch länger hören müssen.«
Alvarez gehorchte. In der Kombüse entzündete er eine Laterne. Die freie Bodenfläche war mit Säcken, Körben und allerlei anderen Gütern vollgestellt.
Der Flottenmeister sah sich um. Überall an den Wänden gab es eiserne Haken, um Vorräte festzuzurren. Ein kleines Regal nah dem Herd und einige Bretter, dicht unter der niedrigen Decke, waren wohlgefüllt mit Töpfen und Tiegeln. Flüchtig betrachtete Alvarez die Papierschildchen auf den Gefäßen. Sie enthielten verschiedene Öle und Gewürze. Ihre Auswahl war so groß, als sei dies die Küche eines Fürsten. Honoré hatte an nichts gespart. Im
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