Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Gelegenheit zum perfekten Schuss ergab. Erfreulicherweise trug er fast nie eine Brustplatte. Um eine Eisenplatte zu durchschlagen und eine tödliche Verletzung zu verursachen, hätte er näher an ihn herangemusst.
Fingayn sah zu den zwei Federn, die er mit Möwenkot auf der Zinne vor sich befestigt hatte. Sie zitterten nur leicht im Westwind. Sein Pfeil würde kaum abdriften, wenn er zum Schuss käme.
Der Elf sah zum Nordwall. Dorthin hatte man die Arbeiter vom Turm abgezogen. Eine der neuen Mauern hatte breite Risse aufgewiesen, und alle verfügbaren Arbeiter waren aufgeboten
worden, um ein Stützgerüst und eine Erdrampe zu bauen. Aber wie lange würde es dauern, bis die Arbeit vollendet war? Noch ein paar Stunden? Oder einen Tag?
Natürlich konnte er auch bei Nacht hier oben lauern, aber in den Abendstunden war der Flottenmeister nur selten im alten Turm.
Fingayn stampfte leicht mit den Füßen auf, damit das Blut besser in seinen Beinen zirkulierte. Unten stürmte ein Trupp leicht gerüsteter Fechter durch die Gasse. Würden sie die Eingänge zum Tempelturm besetzen? Es war unmöglich, dass man ihn entdeckt hatte.
Von der Baustelle erklang ein lang gezogenes Hornsignal. Das Zeichen für die Mittagspause.
Die Fechter liefen zum Hafen. Sie stiegen in Boote, die hinter einem großen Kauffahrtschiff versteckt lagen. Was ging hier vor sich?
Der Ritter vom Aschenbaum stand nicht länger am Fenster.
Doch jetzt hatte sich der Flottenmeister bewegt. Er stand hinter der Ritterin mit dem blonden Haar.
Der Elf hob den Bogen. »Komm schon! Zwei Schritt nach rechts. Einer genügt auch. Komm!« Fingayn nahm den Pfeil und legte ihn auf die Sehne. Er hatte eine dreikantige Spitze mit Widerhaken. Sie war nur lose auf den Schaft gesetzt. Wenn man versuchte, so einen Pfeil aus einer Wunde zu ziehen, blieb die Spitze trotzdem im Fleisch stecken.
Ein Trupp Arbeiter kam vom Nordwall marschiert. Es gab drei Fluchtwege vom Dach des Tempelturms. Noch. Wenn die Arbeiter auf das Gerüst stiegen, saß er in der Falle.
Eine Bö ließ die Federn auf der Zinne vor ihm erzittern. In die Versammlung im Turm kam Bewegung.
»Komm, Alvarez. Komm.«
Vom Hafen ertönten Schreie.
Fingayn blickte hinüber. Die kleinen Boote mit den Fechtern griffen das große Schiff des anderen Ritterordens an. Warum zerfleischten sich die Menschensöhne untereinander? Egal. Alvarez würde gewiss ans Fenster treten, um zu sehen, was dort vor sich ging.
»Komm, Flottenmeister!«
EIN GANZ BESONDERES SCHIFF
»Kappt das Ankerseil!«
Zwei Äxte sausten nieder und zerteilten das dicke Hanfseil. »Bringt das Schiff in die Fahrrinne!« Capitano Juan de Vacca legte allen Zorn in seine Stimme. Es tat gut zu schreien. Und zum Schreien war ihm auch zumute. Warum hatte man ausgerechnet ihn und die Heidenfresser für diese Mission ausgewählt? Er kannte den Grund, aber das hieß nicht, dass er damit einverstanden war. Seine Heidenfresser war mit Abstand das größte Schiff gewesen, das in Vilussa vor Anker gelegen hatte. Eine Gruppe Seeleute nahm die langen Stangen, die unter einer Plane verborgen auf dem Hauptdeck gelegen hatten.
Juan drehte sich um. Hinter der Karracke kamen Ruderboote mit Entermannschaften hervor. Er hatte es kommen sehen. Die Vorbereitungen in Villusa waren mehr als nur eine Vorsichtmaßnahme gewesen. So etwas tat niemand einem Schiff an, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Zumindest die Brüder Erilgar und Ignazius hatten das gewiss vorausgesehen.
»Zieht die Männer von den Lenzpumpen ab. Arkebusenschützen zu mir aufs Achterdeck!« Jetzt kam es darauf an, die verdammten Entermannschaften noch ein klein wenig aufzuhalten.
Der erste Seesoldat kletterte die Stiege hoch.
»Los, bezieh Stellung an der Reling! Ist deine Waffe schussbereit? «
»Ja, Herr. Aber ich kann doch nicht …«
»Was du kannst oder nicht kannst, das werde ich dir sagen, Kerl. Außerdem habe ich dir nicht befohlen zu schießen. Es reicht, wenn die da unten glauben, dass du jeden Moment schießen würdest. Mehr will ich nicht.« Er packte den Schützen beim Arm und schob ihn zur Reling. »Mach hin, Mann!«
Juan biss sich auf die Lippen. Die Heidenfresser bewegte sich unendlich langsam. Zoll um Zoll schwenkte sie herum in die Hauptfahrrinne des Hafens. Bis zur Einfahrt waren es noch mindestens hundert Schritt. Der Wind war zu unbeständig; Segel zu setzen, machte keinen Sinn. Ohne Schleppkähne würden sie nicht so weit kommen. Das Staken ging zu langsam.
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