Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
gesponnen hat?«
»Alles, Lilianne. Hast du sie vergessen, die roten und die schwarzen Ameisen? Wir haben ihren Krieg unsere halbe Kindheit lang beobachtet. Du mochtest die roten. Sie waren größer, bessere Krieger. Sogar ihre Nester waren schöner. Aber sie waren immer nur wenige. Eine Kriegerameise der roten konnte leicht gegen zwei oder drei schwarze Ameisen bestehen. Aber zuletzt sind die Roten untergegangen, umzingelt von allen Seiten. Auf jeden Krieger kamen zehn oder zwanzig Schwarze. Sie haben den Roten die Beine abgebissen und den Hinterleib. Es waren Kämpfe ohne Ehre. Was
glaubst du, wie ein Krieg gegen den Aschenbaum enden wird? Und bedenke, du stellst dich nicht allein gegen Tarquinon und seine Ritter. Du stellst dich gegen die ganze Kirche. Wer uns hilft, der wird zum Ketzer. Woher sollen wir neue Rekruten bekommen, um unsere Verluste zu ersetzen? Hier aus Drusna? Die unterworfenen Adeligen werden ihre Freude daran haben, zuzusehen, wie wir uns gegenseitig zerfleischen. Dieser Krieg ist bereits an dem Tag verloren, an dem wir ihn beginnen.«
»Ich scheiß auf die Ameisen!«, polterte Alvarez los. »Wenn du davonlaufen willst, bitte!« Er wies zur Treppe. »Ich brauche Ritter, die nicht vergessen haben, wem sie alles verdanken. «
Lilianne erinnerte sich gut an den Krieg der Ameisen. Obwohl sie Michelle immer gepredigt hatte, dass sie beide sich nicht in die Kämpfe einmischen sollten, hatte sie den roten manchmal Obst und Küchenabfälle in die Nähe ihrer Nester gelegt. Vor allem zuletzt, als die Schwarzen schon fast den ganzen Garten erobert hatten. Ihr war klar, dass ihnen niemand helfen würde, wenn auf der Ritterschaft der Kirchenbann lag. »Sie hat nicht unrecht, Bruder.«
»Du auch?« Alvarez schüttelte den Kopf. »Ich glaube es nicht. Ist Ritterschaft für euch zur Mathematik geworden? Hat man je von einem Helden gehört, der rechnet, bevor er sein Schwert zieht? Ihr redet von Kindertagen … Erinnert ihr euch an die Geschichten eurer Väter? Welcher Ritter hat je seine Aussicht auf einen Sieg berechnet, wenn er allein einem Troll entgegentrat, um eine Jungfer zu beschützen?« Er legte seine Rechte auf die Brust. »Wahre Ritterschaft erwächst aus dem Herzen! Mein Herz weiß, was richtig und was falsch ist. Und ich habe den Mut, danach zu handeln, was mein Herz mir rät. Zahlen spielen bei dieser Entscheidung keine Rolle. Wenn du anders denkst, dann bist du nur eine Soldatin, Lilianne,
und keine Ritterin. Vielleicht geht die Zeit der Ritter zu Ende. Aber ich weiß, was ich bin.«
Lilianne wollte antworten, aber die Worte lagen ihr wie dunkle Galle auf der Zunge. Sie blickte zu Michelle. Auch ihre Schwester rang mit sich. »Und wenn wir nur zum Schein auf sein Angebot eingehen …«
»Würde ein Ritter die Jungfer vorübergehend dem Troll überlassen, um dann in der Nacht zurückzukehren, wenn er hoffen darf, seinen Feind im Schlaf zu überrumpeln?«
»Hör doch auf mit diesem Mist!«, platzte es aus Michelle heraus. »Was hat die Jungfer davon zuzusehen, wie ihr Ritter in Stücke gerissen wird? Mach es dir nicht so leicht, Alvarez! Der Ritter entscheidet allein über sein Leben. Wir entscheiden über viele tausend. Und siehst du denn wirklich nicht ein, dass wir, wenn wir uns gegen den Orden vom Aschenbaum stellen, der Sache unserer Erzfeinde dienen? Wir schwächen die Kirche. Und das in dem Augenblick, wo wir endlich den Weg nach Albenmark gefunden haben und gegen den Erzfeind kämpfen können statt gegen seine verblendeten heidnischen Helfershelfer.«
»Der Wanderer, der stets nur fest sein Ziel vor Augen hat, droht auf seinem Weg abzustürzen. Ich hatte in den letzten Wochen viel Zeit nachzudenken. Wenn Honoré von uns genommen ist, dann wird dies unserem Orden nutzen. Das ist das einzig Gute, was ich aus der Nachricht von Bruder Louis lese. Aber bedenke eins, Michelle. Wenn ich auf dem Weg zu meinem großen Ziel aufhöre, auf mein Gewissen zu hören, was bin ich dann, wenn ich mein Ziel erreiche? Auf jeden Fall nicht mehr der Mann, der die Reise begonnen hat. Es gibt sogar noch ein besseres Beispiel. Du wirst mir zustimmen, wenn du …« Plötzlich taumelte Alvarez, als habe er einen Stoß in den Rücken bekommen. Er beugte sich vor und stützte sich keuchend auf den Tisch. Blut spritzte auf
den Tisch. Aus seiner Brust ragte eine mit Widerhaken besetzte Pfeilspitze.
Lilianne packte den Flottenmeister und zog ihn zur Seite, weg vom Fenster. »Geh in Deckung!«, rief sie Michelle
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