Das Flammende Kreuz
bestünde sie aus flüssigem Quecksilber, das bei jedem Herzschlag weich und schwer aufschimmerte. Eigentlich war es undenkbar, jetzt die Anstrengung einer Bewegung auf sich zu nehmen, doch ihr letztes Erbeben hatte ihm die Bettdecke von den Schultern gezogen, und die
Haut seines Rückens lag glatt und entblößt da, dunkel im Kontrast zum hellen Flickwerk der Quiltdecke. Sie war von einer perfekten, kuschelig warmen Höhle umgeben, doch sie konnte diesen Luxus nicht genießen, solange er der kühlen Nachtluft preisgegeben war. Kleine Nebelschwaden waren unter der Eingangsklappe des Zeltes hindurchgekrochen und hingen klamm und gespenstisch ringsum in der Luft; sie konnte den schwachen Schimmer der Feuchtigkeit auf seinem hohen, geschwungenen Wangenknochen sehen.
Sie rief sich die Existenz ihrer Knochen und Muskeln wieder zu Bewusstsein, entdeckte ein funktionsbereites, motorisches Neuron und setzte es entschlossen in Gang. Wieder im Besitz ihres Körpers, rollte sie sich auf die Seite, so dass sie ihm zugewandt lag, und zog ihm sanft den Quilt bis zu den Ohren hoch. Er regte sich und murmelte etwas; sie strich ihm das zerzauste, schwarze Haar zurück, und er lächelte schwach. Seine Augenlider öffneten sich halb und gaben den ausdruckslosen Blick eines Menschen preis, der nur seine Träume sieht. Dann sanken sie wieder herab, und er holte tief und seufzend Luft und schlief wieder ein.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie voller Zärtlichkeit.
Sie strich ihm sacht über den Rücken und genoss es, seine flachen Schulterblätter durch die Decke zu spüren, den festen Knochenhügel in seinem Nacken und die lange, ebenmäßige Grube, die in der Mitte seiner Wirbelsäule entlanglief, bis sie in seine geschwungenen Pobacken überging. Ein kalter Luftzug ließ die winzigen Härchen auf ihrem Arm zu Berge stehen, und sie zog ihn wieder unter die Decke und legte ihre Hand leicht auf Rogers Hintern.
Ihn zu spüren, war nichts Neues, doch mit seinen perfekten, warmen Rundungen, seinem drahtigen, gelockten Haar erregte er sie dennoch. Ein schwaches Echo ihrer einsamen Freuden ermunterte sie, es noch einmal zu tun, und ihre freie Hand kroch zwischen ihre Beine, doch dann gebot ihr die pure Erschöpfung Einhalt. Ihre Finger blieben schlaff auf der geschwollenen Stelle liegen, und einer davon zog eine träge Spur durch die Feuchtigkeit.
Sie hatte gehofft, dass es heute Nacht anders sein würde. Ohne die beständige Gefahr, Jemmy aufzuwecken, frei, sich so viel Zeit zu lassen, wie sie wollten, im Sog der Emotionen nach dem Austausch ihrer Gelübde, hatte sie gedacht... doch es war immer dasselbe.
Nicht, dass sie nicht erregt gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Jede Bewegung, jede Berührung prägte sich in die Nerven ihrer Haut ein, in ihren Mund, in ihr Gedächtnis. Die Gerüche überfluteten sie, die Gefühle brannten sich in sie ein. Doch ganz gleich, wie wunderbar der Liebesakt sein mochte, ein gewisses, seltsames Gefühl der Distanz ließ sich niemals vertreiben, eine Barriere, die sie nicht durchdringen konnte.
Und so hatte sie einmal mehr neben ihm gelegen, nachdem er eingeschlafen war, rückblickend jede Sekunde der Leidenschaft, die sie gerade geteilt
hatten, noch einmal durchlebt - und sich ihr rückblickend endlich hingeben können.
Vielleicht liebte sie ihn ja einfach zu sehr, dachte sie, vielleicht war ihr seine Befriedigung zu wichtig, als dass sie sich der ihren hätte überlassen können. Die Genugtuung, die sie empfand, wenn er sich verlor, in ihren Armen keuchte und stöhnte, war viel größer als die schlichte, körperliche Befriedigung des Höhepunktes. Und doch verbarg sich darunter etwas Dunkleres, ein merkwürdiges Triumphgefühl, so als hätte sie einen unausgesprochenen Wettstreit zwischen ihnen gewonnen.
Sie seufzte und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. Sie genoss seinen Geruch, ein starker, bitterer Moschusgeruch, ähnlich der Poleiminze.
Der Gedanke an Kräuter erinnerte sie an etwas, und sie fasste erneut nach unten, vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, und führte ihren schlüpfrigen Finger tief ein, um nachzufühlen. Nein, es war alles in Ordnung, das in Gänsefingerkrautöl getränkte Schwämmchen saß immer noch an Ort und Stelle, ein zerbrechlicher, durchdringend duftender Wächter am Tor ihres Schoßes.
Sie rückte näher, und er bewegte sich unbewusst. Sein Körper drehte sich halb, so dass sie sich an ihn schmiegen konnte, und seine tröstende Wärme umschloss sie augenblicklich. Seine
Weitere Kostenlose Bücher