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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ich mich, was für ein Tier wohl sein Führer sein mochte.
    Der Tiergeist wählte den Menschen aus, hatte Nayawenne mir gesagt, nicht umgekehrt. Man musste sorgfältig auf Zeichen und Omen achten und darauf warten, dass sich das Tier vor einem manifestierte. Ians Tier war der Wolf, Jamies der Bär - so sagten die Tuscarora. Ich hatte mich damals gefragt, was man wohl tat, wenn man von etwas Peinlichem wie einer Spitzmaus
oder einem Mistkäfer erwählt wurde, hatte aber aus Höflichkeit nicht danach gefragt.
    Nur ein Rabe. Ich konnte ihn immer noch hören, obwohl er außer Sichtweite war, doch es erscholl kein antwortender Ruf aus den Fichten hinter mir. Ein Omen der Veränderung.
    »Die Mühe hättest du dir sparen können«, sagte ich zu dem Vogel, leise, um das Baby nicht zu wecken. »Das brauchte mir nun wirklich niemand zu sagen, oder?«
    Ich kletterte weiter und lauschte dabei dem Seufzen des Windes und dem tieferen Klang meines eigenen Atems. Um diese Jahreszeit hing die Veränderung überall in der Luft, in den Düften von Tod und Reife, die der Wind mit sich brachte, und im kühlen Atemhauch des Winters. Doch die Rhythmen der Erddrehung brachten Veränderungen, die erwartet wurden, vorherbestimmt waren; Körper und Geist sahen ihnen wissend und - im Großen und Ganzen - friedvoll entgegen. Die Veränderungen, die auf uns zukamen, waren von einer anderen Art und bestens geeignet, unseren Seelenfrieden zu stören.
    Ich blickte zum Haus zurück; von hier oben konnte ich nur noch den Giebel sehen und den Rauch, der aus dem Schornstein aufstieg.
    »Was meinst du?«, sagte ich leise zu Jemmys Kopf, der rund und warm in seiner Strickmütze unter meinem Kinn lag. »Wird es einmal dir gehören? Wirst du hier leben, und deine Kinder nach dir?«
    Es würde ein ganz anderes Leben sein, dachte ich, als das, was er gelebt haben könnte. Wenn Brianna den Weg durch die Steine riskiert hätte, um ihn zurückzubringen - doch sie hatte es nicht getan, und so lag das Schicksal des kleinen Jungen hier. Hatte sie das bedacht?, fragte ich mich. Dass sie durch ihr Bleiben nicht nur für sich eine Wahl traf, sondern auch für ihn? Dass sie Krieg und Unwissenheit gewählt hatte, Seuchen und Gefahr - und das alles um seines Vaters willen - für Roger? Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob es die richtige Wahl gewesen war - aber es war nicht meine Entscheidung gewesen.
    Dennoch, so dachte ich, konnte sich niemand im Voraus vorstellen, wie es war, ein Kind zu bekommen - keine Macht des Verstandes kam dem Wissen gleich, was die Geburt eines Kindes bewerkstelligen konnte, die das Leben der Beteiligten lenkte und ihre Herzen bewegte.
    »Und das ist auch gut so«, sagte ich zu Jemmy. »Sonst würde es kein vernünftiger Mensch tun.«
    Inzwischen hatte sich meine Aufregung gelegt, beruhigt durch den Wind und den Frieden des blattlosen Waldes. Die Whiskylichtung, wie wir sie nannten, lag abseits des Pfades verborgen. Tagelang hatte Jamie die Hänge oberhalb von Fraser’s Ridge abgesucht, bis er eine Stelle fand, die seinen Anforderungen entsprach.
    Oder besser Stellen. Der Mälzboden befand sich auf einer kleinen Lichtung
am Boden einer Mulde; die Destille stand weiter bergauf auf einer separaten Lichtung in der Nähe einer kleinen Quelle, die frisches, klares Wasser spendete. Der Mälzboden war vom Pfad aus nicht direkt zu sehen, doch er war nicht schwierig zu erreichen.
    »Zwecklos, ihn zu verstecken«, hatte Jamie gesagt, als er mir seine Ortswahl erklärte. »Wo doch jeder, der eine Nase hat, ihn mit verbundenen Augen finden würde.«
    Das stimmte; selbst jetzt hing ein schwacher, fruchtbarer, rauchiger Geruch in der Luft, obwohl kein Korn im Schuppen fermentierte oder auf dem Boden geröstet wurde. Wenn das Korn »arbeitete«, konnte man den durchdringenden Fermentationsgeruch durchaus aus einiger Entfernung riechen, aber wenn die keimende Gerste über kleiner Flamme auf dem Boden ausgebreitet wurde, hing eine dünne Dunstwolke über der Lichtung, und der Geruch war so stark, dass er bis zu Fergus’ Hütte hinüberwehte, wenn der Wind richtig stand.
    Natürlich war jetzt niemand auf dem Mälzboden. Wenn eine neue Ladung »arbeitete«, waren entweder Marsali oder Fergus hier, um sich darum zu kümmern, aber zur Zeit lag der überdachte Boden, dessen glatte Planken durch Gebrauch und Wetter grau verfärbt waren, brach. Doch daneben war ein ordentlicher Haufen Brennholz gebrauchsfertig aufgestapelt.
    Ich ging näher heran, um

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