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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und kaute verbissen auf meinem Schultertuch herum, während ihm beim Quäken der Speichel aus dem Mund lief.
    Ich ging langsam auf und ab, klopfte ihm sanft auf den Rücken und summte ihm ein Kinderlied vor. Jemmys Genörgel zum Trotz empfand ich die Bewegung als beruhigend. Er war schließlich allein, und er konnte nicht sprechen.
    »Außerdem bist du ein Mann«, sagte ich zu ihm und zog ihm die Wollmütze über seinen leuchtenden, weichen Haarflaum. »Ein Geschlecht, das zwar nicht ohne Fehler ist, aber ich muss zugeben, dass Keifereien nicht dazu gehören.«
    So lieb mir die einzelnen Frauen waren - Brianna, Marsali, Lizzie und sogar Mrs. Bug -, so musste ich doch zugeben, dass ich mit Männern en masse sehr viel leichter zurechtkam. Ob dies eine Folge meiner ausgesprochen unorthodoxen Erziehung - ich war vornehmlich von meinem Onkel Lamb und seinem persischen Leibdiener Firouz aufgezogen worden -, meiner Kriegserfahrungen oder schlicht ein Aspekt meiner eigenen, unkonventionellen Persönlichkeit war, jedenfalls empfand ich Männer als beruhigend logisch und - von einigen drastischen Ausnahmen abgesehen - angenehm direkt.
    Ich drehte mich um und betrachtete das Haus. Es stand friedlich zwischen den Fichten und Kastanienbäumen, elegant proportioniert, solide gebaut. An einem Fenster tauchte ein Gesicht auf. Es streckte seine Zunge heraus, drückte sich flach an die Glasscheibe und verdrehte die Augen. Schrille Frauenstimmen und scheppernde Geräusche drangen schwach durch die kalte, klare Luft zu mir.
    »Hmm«, sagte ich.
    So sehr es mir widerstrebte, so bald schon wieder von zu Hause aufzubrechen, und so wenig mir die Vorstellung gefiel, dass Jamie in irgendwelche bewaffneten Konflikte verwickelt werden könnte - der Gedanke, loszuziehen und ein oder zwei Wochen lang unter zwanzig oder dreißig unrasierten, stark riechenden Männern zu leben, hatte eine gewisse, unleugbare Anziehungskraft entwickelt. Und wenn es bedeutete, dass ich auf dem Boden schlafen musste...

    »Jeder hat sein Bündel zu tragen«, sagte ich seufzend zu Jemmy. »Aber das erfährst du ja gerade selbst, nicht wahr, du armes Ding?«
    »Gnnnh!«, sagte er und verkrampfte sich zu einer Kugel, um den Schmerzen des Zahnens zu entrinnen. Seine Knie gruben sich schmerzhaft in meine Seite. Ich setzte ihn mir bequemer auf die Hüfte und gab ihm meinen Zeigefinger zum Kauen. Sein Zahnfleisch war hart und von Knoten durchzogen; ich konnte die empfindliche Stelle spüren, wo der neue Zahn wuchs, geschwollen und heiß unter der Haut. Aus dem Haus kam ein durchdringender Schrei, gefolgt von den Geräuschen lauter Rufe und rennender Füße.
    »Weißt du«, sagte ich im Plauderton, »ich glaube, ein Schluck Whisky wäre genau das Richtige dafür, meinst du nicht?« Dann zog ich meinen Finger weg und hob Jemmy an meine Schulter. Ich schlich mich geduckt an dem Kreuz vorbei in den Schutz der großen Fichte - gerade noch rechtzeitig, bevor die Haustür aufflog und Mrs. Bugs Stimme sich wie eine Trompete in der kühlen Luft erhob.
     
    Es war ein weiter Weg bis zu der Lichtung, auf der sich die Destillerie befand, aber das machte mir nichts aus. Es war herrlich still im Wald, und Jemmy, der sich durch die Bewegung einlullen ließ, verfiel endlich in dösende Entspannung und hing mir schlaff wie ein kleiner Sandsack im Arm.
    So spät im Jahr hatten alle Laubbäume ihre Blätter verloren; der Pfad war knöcheltief mit einem knisternden Teppich aus Braun und Gold bedeckt, und der Wind wirbelte Ahornsamen an mir vorbei, die mit flüsternden Flügeln meine Röcke streiften. Ein Rabe flog hoch über mir vorüber. Er schrie drängend und laut, und das Baby zuckte in meinen Armen zusammen.
    »Schsch«, sagte ich und nahm ihn fester in den Arm. »Es ist nichts, Schätzchen, nur ein Vogel.«
    Dennoch blickte ich dem Raben nach und lauschte auf einen weiteren. Raben waren Omenvögel - so besagte es zumindest der Aberglaube in den Highlands. Ein Rabe war ein Omen der Veränderung; zwei brachten Glück, drei brachten Unglück. Ich versuchte, derlei Gedanken zu verdrängen, aber Nayawenne hatte mir gesagt, der Rabe sei mein Führer, mein spirituelles Tier - und es war mir unmöglich, einen solchen großen, schwarzen Schatten über mich hinwegziehen zu sehen, ohne dass mir ein Schauer über den Rücken lief.
    Jemmy regte sich, quäkte kurz auf und schwieg dann wieder. Ich tätschelte ihn und setzte meine Klettertour fort. Während ich gemächlich den Berg hinaufstieg, fragte

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