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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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herauszufinden, welche Sorte Holz es war; Fergus bevorzugte Hickoryholz, weil es sich leichter spalten ließ und dem gemälzten Korn einen süßen Geschmack verlieh. Jamie, dessen Whiskyverständnis tief in der Tradition verwurzelt war, benutzte nie etwas anderes als Eichenholz. Ich berührte ein Holzscheit; grobe Körnung, helles Holz, dünne Rinde. Ich lächelte. Also war Jamie noch vor kurzem hier gewesen.
    Normalerweise wurde stets ein kleines Whiskyfass beim Mälzboden aufbewahrt, sowohl aus Gastlichkeit als auch aus Vorsicht. »Falls jemand Marsali hier allein überrascht, ist es besser, wenn sie ihm etwas anbieten kann«, hatte Jamie gesagt. »Was wir hier tun, ist kein Geheimnis; es ist besser, wenn niemand versucht, Marsali zu entlocken, wo der Whisky ist.« Es war nicht der beste Whisky - normalerweise war es sehr junger, roher Alkohol -, aber für ungeladene Besucher und zahnende Kinder war er mit Sicherheit gut genug.
    »Du hast ja sowieso noch keine Geschmacksknospen, was soll’s also?«, murmelte ich Jemmy zu, der sich im Schlaf rührte, mit den Lippen schmatzte und sein kleines Gesicht zu einer Grimasse verzog.
    Ich sah mich suchend um, doch ich fand keine Spur von dem kleinen Whiskyfass, weder an seinem normalen Platz hinter den Gerstensäcken noch im Inneren des Brennholzstapels. Vielleicht hatte es jemand mitgenommen, um es nachzufüllen, vielleicht war es gestohlen worden. Wie auch immer, es war nicht so schlimm.
    Ich wandte mich nach Norden, am Mälzboden vorbei, ging zehn Schritte
weit und wandte mich nach rechts. Hier kam der Felsenkern des Berges zum Vorschein, ein fester Granitblock, der aus dem Turpelo- und Färberwurzdickicht ragte. Nur, dass er nicht fest war. Zwei Felsplatten lehnten aneinander, und die offene Spalte darunter war mit Stechpalmen maskiert. Ich zog Jemmy mein Schultertuch über das Gesicht, um ihn vor den scharfen Kanten der Blätter zu schützen, dann schob ich mich vorsichtig dahinter vorbei und duckte mich, um die Spalte zu durchschreiten.
    Am anderen Ende der Spalte senkte sich der Felsboden in einem Gewirr großer Brocken ab, und Baumschösslinge und Kriechgewächse sprossen überall aus den Ritzen zwischen den Felsen. Von unten sah es unpassierbar aus, doch von oben konnte man schwach einen Pfad erkennen, der zu einer weiteren, kleinen Lichtung führte. Lichtung war fast zu viel gesagt; es war nicht mehr als eine Lücke zwischen den Bäumen, in der eine klare Quelle aus dem Felsen entsprang und wieder im Boden verschwand. Im Sommer war die Stelle auch von oben nicht zu sehen, abgeschirmt durch das Laub der Bäume ringsum.
    Jetzt, an der Schwelle des Winters, war der weiß leuchtende Fels durch das blattlose Dach der Erlen und Bergeschen gut zu sehen. Jamie hatte einen groϐen, hellen Stein gefunden und ihn zum Ausgangspunkt der Quelle gerollt, wo er die Form eines Kreuzes hinein geritzt und ein Gebet gesprochen hatte, um die Quelle für unseren Gebrauch zu segnen. Damals hätte ich fast einen Witz über den Vergleich zwischen Whisky und Weihwasser gemacht - und auch jetzt musste ich an Vater Kenneth und die Taufen denken -, doch dann hatte ich es mir verkniffen; ich bezweifelte, dass Jamie es witzig gefunden hätte.
    Ich bahnte mir vorsichtig meinen Weg bergab. Der angedeutete Pfad führte zwischen den Gesteinsbrocken hindurch und schließlich um einen Felsvorsprung herum, bevor er auf der Lichtung mit der Quelle endete. Mir war warm vom Gehen, aber es war so kalt, dass meine Finger, die die Enden des Schultertuches hielten, taub geworden waren. Und Jamie stand am Rand der Quelle und trug nichts als sein Hemd.
    Durch ein immergrünes Gebüsch verdeckt, blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Es war nicht sein halb bekleideter Zustand, der mich innehalten ließ, sondern vielmehr etwas an seinem Gesichtsausdruck. Er sah müde aus, aber das war nur verständlich, da er schon so früh auf den Beinen gewesen war.
    Die abgetragene Hose, die er zum Reiten trug, lag in einem Haufen neben ihm auf dem Boden, sein Gürtel war nebst den dazugehörigen Utensilien ordentlich daneben aufgerollt. Mein Blick fiel auf einen dunklen Farbklecks, der halb im Gras verborgen lag; der blau und braun gemusterte Stoff seines Jagdkilts. Er zog sich vor meinen Augen das Hemd über den Kopf und ließ es fallen, dann kniete er nackt an der Quelle nieder und besprengte sich Arme und Gesicht mit Wasser.
    Seine Kleider waren vom Reiten mit Schlamm bespritzt, doch er selbst war
überhaupt nicht schmutzig.

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