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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einer Hand ging, wieder zurück.
    Eines, eindeutig ein Brief, trug noch Reste des Wachssiegels. Ihr Blick fiel auf den Abdruck eines lächelnden Halbmondes, und sie hielt inne. Das war Lord John Greys Siegel. Es musste der Brief sein, den er letzten September geschickt hatte und in dem er seine Jagdabenteuer im Sumpf des Grauens beschrieb; ihr Vater hatte ihn der Familie schon mehrfach vorgelesen - Lord John war ein humorvoller Briefpartner, und seine Hirschjagd war von einer Serie von Missgeschicken geplagt gewesen, die zweifellos unangenehme Erlebnisse gewesen waren, die jedoch hinterher pittoreske Geschichten abgaben.
    Sie lächelte bei der Erinnerung und öffnete den Brief mit dem Daumen. Sie freute sich schon darauf, die Geschichte erneut zu lesen, stellte aber fest, dass sie sich etwas ganz anderem gegenüber sah.
    13. Oktober Anno Domini 1770
     
    Mr. James Fraser
    Fraser’s Ridge, North Carolina
     
    Mein lieber Jamie,
    als ich heute Morgen erwachte, hatte ich den Regen im Ohr, der schon die ganze Woche auf uns herab prasselt, und dazu das sanfte Gackern mehrerer Hühner, die mein Bett zu ihrem Schlafplatz auserkoren haben. Nachdem ich mich unter dem starren Blick ihrer Knopfaugen erhoben
hatte, erkundigte ich mich nach dem Grund für dieses Vorkommnis und wurde unterrichtet, dass der Fluss durch die jüngsten Regenfälle so weit gestiegen ist, dass er sowohl den Abort als auch den Hühnerstall unterminiert hat. Die Bewohner des letzteren wurden durch William, meinen Sohn (an den du dich erinnern wirst) und zwei der Sklaven gerettet, welche das obdachlose Geflügel mit Besen aus den Fluten fischten. Ich kann nicht sagen, wessen Idee es war, die arglosen, gefiederten Flutopfer in meiner Schlafkammer unterzubringen, aber ich habe diesbezüglich einen gewissen Verdacht.
    Nachdem ich mich also auf den Gebrauch meines Nachttopfes verlegt hatte (ich wünschte, die Hühner täten das auch, sie sind furchtbar inkontinente Viecher), zog ich mich an und begab mich hinaus, um zu sehen, was womöglich noch zu retten war. Einige Bretter und das Schindeldach des Hühnerstalles sind noch da, aber mein Abort ist leider in König Neptuns Besitz übergegangen - oder welcher mindere Wassergott auch immer über einen so bescheidenen Nebenfluss wie den unseren regiert.
    Doch bitte sorge dich nicht um uns; das Haus steht in einiger Entfernung vom Fluss sicher auf einer Bodenerhebung, so dass wir selbst vor der heftigsten Flut sicher sind. (Der Abort war neben der alten Hütte gegraben worden, und wir hatten uns noch nicht daran gemacht, einen bequemeren zu errichten; vielleicht erweist sich diese kleine Katastrophe ja am Ende als versteckter Segen, weil er uns mit der Notdurft eines Neubaus konfrontiert.)
    Brianna verdrehte die Augen über dieses Wortspiel, lächelte aber trotzdem. Jemmy ließ seinen Ring fallen und begann sofort zu jammern. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben, hielt jedoch auf halbem Wege inne, weil die Worte am Anfang des nächsten Absatzes ihre Aufmerksamkeit fesselten.
    In deinem Brief erwähnst du Stephen Bonnet und fragst ob ich Neuigkeiten von ihm habe oder seinen Aufenthaltsort kenne. Wie du dich erinnern wirst, bin ich ihm begegnet, kann mich jedoch unglücklicherweise nicht an diese Begegnung erinnern, nicht einmal an seine Erscheinung, obwohl ich ja als einzige Erinnerung an diese Gelegenheit ein kleines Loch im Kopf trage. (Bitte teile deiner Frau mit, dass es gut verheilt ist und ich keine Beschwerden mehr habe, abgesehen von gelegentlichen Kopfschmerzen. Außerdem kühlt sich die Silberplatte, welche die Öffnung verschließt, bei kaltem Wetter manchmal plötzlich ab, worauf mein linkes Auge zu tränen beginnt und ich sehr viel Rotz absondere, aber das ist nicht so schlimm.)
    Da ich daher dein Interesse an Mr. Bonnet und seinen Winkelzügen teile, habe ich schon vor einiger Zeit meine Bekannten an der Küste ge beten,
mich auf dem Laufenden zu halten, da die Beschreibungen seiner Tätigkeiten mir Grund zu der Annahme geben, dass er am wahrscheinlichsten dort zu finden ist (dies ist ein beruhigender Gedanke, angesichts der großen Entfernung zwischen der Küste und deinem ab gelegenen Horst). Da man den Fluss jedoch bis zur See befahren kann, kam mir die Idee, dass die Flusskapitäne und Wasserratten, die mir dann und wann an meiner Dinnertafel die Ehre erweisen, mir vielleicht irgendwann von dem Mann berichten könnten.
    Es ist mir eine unangenehme Aufgabe zu berichten, dass Bonnet nach wie vor

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