Das Flammende Kreuz
etwas, das wie ein kleines Lumpenbündel aussah. Es lag drei Meter von mir entfernt am Rand der Asche des ausgebrannten Feuers. Das Jammern ertönte erneut, und diesmal war keine Verwechslung möglich.
»Ach du lieber Himmel.« Ich war mir kaum bewusst, etwas gesagt zu haben, als ich auch schon auf das Bündel zukrabbelte. Ich hob es auf und begann, mich durch die Schichten der Wickeltücher vorzutasten. Es lebte eindeutig - ich hatte es weinen gehört -, und doch lag es reglos und nahezu gewichtslos in meiner Armbeuge.
Das winzige Gesicht und der haarlose Schädel waren blauweiß, die Gesichtszüge
verschlossen und verdorrt wie die Hülle einer Winterfrucht. Ich hielt meine Handfläche über Nase und Mund und spürte eine schwache, feuchte Wärme an meiner Haut. Erschrocken über meine Berührung, öffnete sich der Mund zu einem Jammerlaut, und die Schlitzaugen pressten sich fester zu, um die bedrohliche Welt auszusperren.
»Herrgott im Himmel.« Jamie bekreuzigte sich rasch. Seine Stimme war kaum mehr als ein schleimerfülltes Kratzen; er räusperte sich und versuchte es erneut, während er sich umsah. »Wo ist die Frau?«
Ich war so erschrocken über das Auftauchen des Kindes, dass ich gar nicht weiter über seinen Ursprung nachgedacht hatte, und jetzt war auch nicht die Zeit dazu. Das Baby zuckte schwach in seinen Wickeltüchern, aber seine winzigen Hände waren eiskalt, seine Haut vor Kälte blau und violett gefleckt.
»Das ist jetzt nicht so wichtig - hol mir mein Schultertuch, ja, Jamie? Das arme Ding ist fast erfroren.« Ich kämpfte einhändig mit den Schnüren meines Mieders; es war ein altes Stück, das vorn zu öffnen war und das ich unterwegs trug, weil es sich leichter anziehen ließ. Ich öffnete mein Korsett und den Verschluss meiner Chemise, dann presste ich die kleine, eisige Kreatur an meine nackten Brüste, deren Haut vom Schlaf noch warm war.
Ein Windstoß wehte mir beißenden Schnee über die bloße Haut an Hals und Schultern. Ich zog hastig das Hemd über das Kind und beugte mich zitternd vor. Jamie warf mir das Schultertuch um die Schultern, dann schlang er die Arme um uns beide und drückte uns fest, als wollte er die Hitze seines Körpers mit aller Gewalt auf das Kind übertragen.
Diese Hitze war beträchtlich; er glühte vor Fieber.
»Mein Gott, geht es dir gut?« Ich blickte verstohlen zu ihm auf; er war weißgesichtig und rotäugig, aber fest auf den Beinen.
»Aye, bestens. Wo ist sie?«, fragte er erneut mit heiserer Stimme. »Die Frau.«
Offensichtlich über alle Berge. Die Ziegen drängten sich im Schutz der Lehmbank fest aneinander; ich sah Hirams Hörner zwischen den gescheckten Rücken der Ziegenweibchen auf und ab wackeln. Ein halbes Dutzend gelber Augenpaare beobachtete uns interessiert und rief mir meine Träume wieder ins Gedächtnis.
Die Stelle, wo Mrs. Beardsley gelegen hatte, war leer, nur das niedergedrückte Gras zeugte davon, dass sie tatsächlich dagewesen war. Sie musste sich für die Geburt ein Stück weit entfernt haben; am Feuer war keine Spur davon zu sehen.
»Es ist doch von ihr?«, fragte Jamie. Ich konnte immer noch den Schleim in seiner Stimme hören, aber zu meiner Erleichterung hatte das leise Keuchen in seiner Brust nachgelassen.
»Ich nehme es an. Wo soll es sonst hergekommen sein?«
Eigentlich nahmen Jamie und das Kind meine Aufmerksamkeit ganz in
Anspruch - es hatte begonnen, sich mit kleinen, an einen Krebs erinnernden Bewegungen an meinem Bauch zu bewegen -, aber ich warf einen kurzen Blick auf unser improvisiertes Lager. Die Kiefern standen schwarz und schweigend unter dem flüsternden Schnee; wenn Fanny Beardsley in den Wald gegangen war, war auf der dicken Nadelschicht keine Spur von ihr zurück geblieben.
Schneekristalle bestäubten die Baumstämme, doch es war nicht genug Schnee auf den Boden gefallen, um dort liegen zu bleiben; keine Chance, dass wir einen Fußabdruck finden würden.
»Sie kann noch nicht weit gekommen sein«, sagte ich und reckte mich, um über Jamies Schulter hinwegzuspähen. »Sie hat keines der Pferde genommen.« Gideon und Mrs. Piggy standen dicht beieinander unter einer Fichte, die Ohren vor Verdruss über das Wetter angelegt, und ihr Atem hing in Dampfwolken um sie herum. Als er sah, dass wir wach waren und uns bewegten, stampfte Gideon wiehernd auf und zeigte uns seine großen, gelben Zähne, um ungeduldig Futter zu fordern.
»Aye, du alter Klepper, ich komme ja schon.« Jamie ließ die Arme sinken und trat
Weitere Kostenlose Bücher