Das Flammende Kreuz
Hauch von Kampherschmalz aus Jamies Kleidern - aber sonst nichts.
»Na gut«, sagte ich laut und schaukelte dabei sanft meine Bürde, die zunehmend unruhig wurde. »Sie hat sich vom Feuer entfernt, um dich zu gebären. Entweder ist sie allein gegangen, oder es hat sie jemand dazu gebracht. Aber wenn jemand sie mitgenommen hat und gesehen hat, dass sie im Begriff war, ein Kind zu bekommen, warum hat er sich die Mühe gemacht, dich zurückzubringen? Er hätte dich doch mit Sicherheit entweder behalten, dich umgebracht oder dich zum Sterben liegen gelassen. Oh - tut mir Leid. Ich wollte dir keine Angst machen. Schh, Schätzchen. Schh, schh.«
Das Baby, das jetzt aus seiner Benommenheit erwachte, hatte reichlich Zeit gehabt, darüber nachzudenken, woran es in seiner Welt sonst noch mangelte. Es hatte frustriert von meiner Brust abgelassen, und als Jamie jetzt mit einem dampfenden Becher Ziegenmilch und einem einigermaßen sauberen Taschentuch zurück kam, wand es sich jammernd mit einer Kraft, die ermutigend war. Jamie verdrehte das Taschentuch zu einer improvisierten Zitze, die er in die Milch tauchte. Dann steckte er den tropfenden Stoff vorsichtig in das offene Mäulchen. Das Jammern hörte abrupt auf, und wir seufzten beide erleichtert auf, als der Lärm endete.
»Ah, so ist’s besser, nicht wahr? Seas, a bailach, seas« , murmelte Jamie dem Kind zu, während er frische Milch schöpfte. Ich blickte auf das winzige Gesicht hinunter, das immer noch bleich und wachsig von der Käseschmiere war, aber nicht länger kalkig aussah. Es saugte tief konzentriert.
»Wie konnte sie es nur allein lassen?«, fragte ich mich laut. »Und warum?«
Das war das beste Argument für eine Entführung; was sonst konnte eine frisch gebackene Mutter dazu bewegen, ihr Kind im Stich zu lassen? Ganz zu schweigen davon, sich direkt nach einer Geburt zu Fuß in einen dunklen Wald aufzumachen, schweren Schrittes und wund, zerrissen und blutend... Ich verzog das Gesicht bei diesem Gedanken, und mein Bauch krampfte sich mitfühlend zusammen.
Jamie schüttelte den Kopf, den Blick unverwandt auf seine Aufgabe gerichtet.
»Sie hat einen Grund gehabt, aber den kennt nur der Himmel. Aber sie hat das Kind nicht gehasst - sie hätte es im Wald liegen lassen können, und wir hätten nie davon erfahren.«
Das stimmte; sie - oder irgendjemand - hatte das Baby sorgfältig eingewickelt und es so dicht wie möglich am Feuer liegen gelassen. Also wollte sie, dass es überlebte - wenn auch ohne sie.
»Dann glaubst du also, dass sie freiwillig gegangen ist?«
Er nickte und sah mich an.
»Wir sind hier nicht weit von der Vertragsgrenze entfernt. Es kann sein, dass es Indianer waren - aber wenn es so war, wenn jemand sie entführt hat, warum hat er uns dann nicht auch gefangen genommen? Oder uns alle umgebracht?«, fragte er in aller Logik. »Und Indianer hätten die Pferde mitgenommen.
Nein, ich glaube, sie ist aus eigenem Antrieb gegangen. Aber was den Grund angeht...« Er schüttelte den Kopf und tauchte das Taschentuch erneut in die Milch.
Es schneite jetzt immer heftiger, trockenen, leichten Schnee, der jedoch hier und dort liegen zu bleiben begann. Besser, wenn wir bald aufbrachen, dachte ich, bevor das Unwetter noch schlimmer wurde. Irgendwie kam es mir jedoch nicht richtig vor, einfach so zu gehen, ohne den geringsten Versuch herauszufinden, was aus Fanny Beardsley geworden war.
Die ganze Situation kam mir unwirklich vor. Es war, als sei die Frau plötzlich wie durch Zauberei verschwunden und hätte im Austausch dieses kleine Ersatzwesen zurück gelassen. Ich fühlte mich auf bizarre Weise an die schottischen Sagen von Wechselbälgern erinnert; Feenkinder, die an Stelle menschlicher Babys zurückgelassen wurden. Ich konnte mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, was die Feen mit Fanny Beardsley wollten.
Ich wusste, dass es zwecklos war, doch ich drehte mich ein weiteres Mal um die eigene Achse und betrachtete unsere Umgebung. Nichts. Die Lehmbank ragte über uns auf, mit trockenem Gras befranst. Ein Stückchen weiter tröpfelte ein winziger Bach dahin, und die Bäume raschelten und seufzten im Wind. Keine Huf- oder Fußspur markierte die feuchte, schwammige Nadelschicht, und ein Pfad war nicht einmal zu ahnen. Der Wald stand ganz und gar nicht schweigend, weil es so windig war, aber dafür war er schwarz und tief.
»Sind wir noch weit von dem Ziel«, merkte ich an und wandte mich seufzend wieder zu Jamie um.
»Häh? Äh, nein, zu
Weitere Kostenlose Bücher