Das Flammende Kreuz
Pferd ist es nicht mehr als eine Stunde bis nach Brownsville«, versicherte er mir. »Oder vielleicht zwei«, verbesserte er sich nach einem Blick zum musselinweißen Himmel, denn es schneite immer heftiger. »Jetzt, wo es hell ist, weiß ich, wo wir sind.«
Er hustete erneut, ein plötzlicher Krampf, der seinen ganzen Körper schüttelte, dann richtete er sich auf und reichte mir Becher und Sauger.
»Hier, Sassenach. Gib dem armen, kleinen sgaogan zu trinken, während ich mich um die Tiere kümmere, aye?«
Sgaogan. Ein Wechselbalg. Also hatte auch er den Eindruck, dass der ganzen Angelegenheit etwas Seltsames, Übernatürliches anhaftete. Nun, die Frau hatte behauptet, Gespenster zu sehen; vielleicht hatte sie nun eines geholt? Ich erschauerte und hielt das Baby fester an mich gedrückt.
»Gibt es außer Brownsville noch irgendeine Siedlung in der Nähe? Irgendeinen Ort, den Mrs. Beardsley vielleicht aufgesucht haben könnte?«
Jamie schüttelte den Kopf, und zwischen seinen Augenbrauen erschien eine Falte. Der Schnee schmolz, sobald er seine erhitzte Haut berührte, und lief ihm in kleinen Rinnsalen über das Gesicht.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte er. »Nimmt das Kleine die Ziegenmilch an?«
»Als wäre es ganz selbstverständlich«, versicherte ich ihm.
Während ich dem Kind weiter tropfenweise Nahrung einflößte, molk er rasch die restlichen Ziegen und brachte uns einen vollen Eimer Milch zum Frühstück mit. Ich hätte zwar gern eine schöne, heiße Tasse Tee gehabt - meine Finger waren vom ständigen Eintauchen der falschen Zitze kalt und taub -, aber die sahnige, weiße Milch war köstlich und nicht minder angenehm für unsere kalten, leeren Mägen als für den des Babys.
Das Kind hatte aufgehört zu nuckeln und sich nach Leibeskräften eingenässt; alles in allem ein Zeichen guter Gesundheit, wenn es mir auch gerade nicht sehr gelegen kam, da sowohl sein Wickeltuch als auch die Vorderseite meines Mieders jetzt durch und durch nass waren.
Jamie durchwühlte erneut hastig das Gepäck, diesmal auf der Suche nach etwas zum Wickeln und trockenen Kleidern. Zum Glück trug Mrs. Piggy die Tasche, in der ich die Leinenstreifen und die Baumwollwatte zum Säubern und Verbinden aufbewahrte. Er nahm sich eine Hand voll davon und ergriff das Kind, während ich mich an die umständliche und zugige Aufgabe machte, Hemd und Leibchen zu wechseln, ohne dabei meinen Rock, Unterrock oder Umhang auszuziehen.
»Z-zieh dir doch auch deinen Umhang an«, sagte ich zähneklappernd. »Du stirbst noch an einer verf-flixten Lungenentzündung.«
Er lächelte, den Blick fest auf seine Aufgabe gerichtet, obwohl seine Nasenspitze im Kontrast zu seinem bleichen Gesicht rot leuchtete.
»Mir geht es gut«, krächzte er, dann räusperte er sich ungeduldig, was sich wie zerreißender Stoff anhörte. »Gut«, wiederholte er kräftiger, dann hielt er inne und riss überrascht die Augen auf.
»Oh«, sagte er jetzt wieder leiser. »Sieh mal. Es ist ein kleines Mädchen.«
»Wirklich?« Ich ließ mich neben ihm auf die Knie sinken, um es mir anzusehen.
»Nicht besonders hübsch«, sagte er mit einem kritischen Blick auf das kleine Geschöpf. »Gut, dass sie eine ordentliche Mitgift hat.«
»Ich glaube nicht, dass du bei deiner Geburt eine große Schönheit warst«, sagte ich tadelnd. »Das arme Ding ist ja noch nicht einmal anständig sauber. Aber was hast du damit gemeint, eine Mitgift?«
Er zuckte mit den Achseln, während er das Kunststück zuwege brachte, das Kind mit einem Schultertuch zugedeckt zu halten und ihm gleichzeitig ein zusammengefaltetes Leinentuch unter den winzigen Hintern zu schieben.
»Ihr Vater ist tot und ihre Mutter verschwunden. Sie hat keine Brüder oder Schwestern, mit denen sie ihr Erbe teilen müsste, und ich habe in dem Haus kein Testament gefunden, in dem gestanden hätte, dass jemand anders Beardsleys Besitz erben soll. Auf diese Weise hinterlässt er ihr eine ordentliche Farm und einiges an Handelswaren - von den Ziegen ganz zu schweigen.« Er warf einen Blick auf Hiram und seine Familie und lächelte. »Also gehört das alles wohl ihr.«
»Vermutlich«, sagte ich langsam. »Also wird sie ein gut betuchtes, kleines Mädchen sein, nicht wahr?«
»Aye, und sie hat gerade in die Hose geschissen. Hättest du das nicht tun können, bevor ich dich auf ein frisches Tuch gelegt habe?«, wollte er von dem Kind wissen. Ohne sich von seiner Strafpredigt beeindrucken zu lassen, blinzelte ihm das kleine
Weitere Kostenlose Bücher