Das Flammende Kreuz
einem anderen Weihnachtsabend geschenkt hatte; der Feuerschein spiegelte sich glitzernd in seinem Silber, als sie den Arm hob.
»Aye, du könntest bestimmt ein Buch damit einbinden. Oder Jemmy ein Paar Schühchen machen.« Es war ein langer Ritt gewesen, und die Männer und Pferde hatten sich bis zur Erschöpfung und darüber hinaus angestrengt,
weil sie darauf brannten, nach Hause zu kommen. Er fühlte sich, als hätte er keine Knochen mehr, und hätte sich kein schöneres Geschenk wünschen können, als wieder mit ihr ins Bett zu gehen und dicht und warm aneinander gepresst in die einladenden Tiefen schwarzen Schlafes und amouröser Träume zu driften. Doch die Pflicht rief; er gähnte, kniff die Augen zu und hievte sich in die Höhe.
»Dann gibt es die Gänse also heute zum Abendessen?«, fragte er und hockte sich hin, um in dem Haufen seiner schmutzverkrusteten Kleider herumzustochern, die er vorhin abgelegt hatte. Möglich, dass er irgendwo ein sauberes Hemd hatte, aber da sich die Chisholms in seiner Hütte befanden und Brianna und Jemmy vorübergehend hier im Zimmer der Wemyss’ untergekommen waren, hatte er keine Ahnung, wo seine Sachen waren. Außerdem hatte es sowieso keinen Sinn, etwas Sauberes anzuziehen, nur um dann einen Stall auszumisten und Pferde zu füttern. Er würde sich vor dem Abendessen rasieren und umziehen.
»Genau. Für das Weihnachtsdinner hat Mrs. Bug ein halbes Schwein draußen in der Grillgrube. Ich habe aber gestern die Gänse geschossen, und sie wollte sie frisch verwenden. Wir haben gehofft, dass Ihr Jungs rechtzeitig zurückkommt.«
Er sah sie an, denn er fing erneut diesen Unterton in ihrer Stimme auf.
»Magst du keine Gans?«, fragte er. Sie blickte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu ihm hinunter.
»Ich habe noch nie Gans gegessen«, antwortete sie. »Roger...?«
»Aye?«
»Ich habe mich nur gefragt... Ich wollte dich fragen, ob du weißt...«
»Ob ich was weiß?«
Er bewegte sich langsam, nach ihrem Liebesakt immer noch in einen angenehmen Nebel der Erschöpfung gehüllt. Sie hatte sich ihr Kleid angezogen, ihr Haar gebürstet und es ordentlich im Nacken zu einem dicken Knoten hochgesteckt, und das alles in der Zeit, die er gebraucht hatte, um seine Strümpfe und seine Hose zu entwirren. Er schüttelte die Hose geistesabwesend aus, und getrocknete Dreckpartikel prasselten auf den ganzen Boden.
»Lass das doch! Was ist denn mit dir los?« Rot vor plötzlicher Verärgerung, riss sie ihm die Hose aus der Hand. Sie warf die Fensterläden auf, lehnte sich hinaus und schüttelte das Kleidungsstück heftig aus. Sie schleuderte die ausgeschüttelte Hose wieder ins Zimmer und warf sie ihm zu. Er machte einen Satz, um sie zu fangen.
»Hey. Was ist mit dir los?«
»Was mit mir los ist? Du machst den ganzen Boden schmutzig und glaubst, dass mit mir etwas nicht stimmt?«
»Tut mir Leid. Ich habe nicht gedacht -«
Sie gab einen tiefen Kehllaut von sich. Er war nicht besonders laut, aber er war bedrohlich. Einem tief verankerten, männlichen Reflex folgend,
schob er ein Bein in seine Hose. Ganz gleich, was geschah, er wollte lieber eine Hose anhaben, wenn es ihn ereilte. Er zog hastig die Hose hoch und redete währenddessen im Eiltempo.
»Hör mal, es tut mir Leid, ich habe nicht daran gedacht, dass Weihnachten ist. Es war-wir mussten einen Haufen wichtiger Angelegenheiten regeln. Ich habe den Überblick verloren. Ich mache es wieder gut. Vielleicht, wenn wir zur Hochzeit deiner Tante nach Cross Creek fahren. Ich könnte -«
»Zum Teufel mit Weihnachten!«
»Was?« Er hielt mit halb zugeknöpfter Hose inne. Es herrschte Winterdämmerung, und es war dunkel im Zimmer, doch selbst bei Kerzenschein konnte er sehen, wie ihr die Farbe ins Gesicht stieg.
»Zum Teufel mit Weihnachten, zum Teufel mit Cross Creek-und mit dir auch!« Diese letzten Worte interpunktierte sie mit einer hölzernen Seifenschale vom Waschtisch, die an seinem linken Ohr vorbei sauste und hinter ihm an die Wand prallte.
»Jetzt mach aber mal halblang!«
»So redest du nicht mit mir!«
»Aber du-«
»Du und deine ›wichtigen Angelegenheiten‹!« Ihre Hand legte sich auf den großen Porzellankrug, und er machte sich darauf gefasst, sich zu ducken, doch sie überlegte es sich anders, und ihre Hand entspannte sich.
»Ich habe den ganzen letzten Monat hier verbracht, bis über beide Ohren in schmutziger Wäsche und Babyscheiße, kreischenden Frauen und grauenhaften Kindern, während du unterwegs bist und
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