Das Flammende Kreuz
den Armen fuchtelten. Ich erblickte Jamie mitten in der Menge, wo er wild mitgestikulierte. Zwischen den aufgeregten Fragen und Kommentaren fing ich ein paar Satzfetzen auf - »vor Schreck durchgegangen«... »Panther?«... »Gottverdammt!«, und so weiter.
Nach einigem Herumwandern und zusammenhanglosem Diskutieren beschloss man einhellig, dass die Pferde wahrscheinlich von selbst zurückkommen würden. Der Schnee blies in wirbelnden Eisschleiern von den Bäumen, und der Wind steckte seine kalten Finger durch jede Ritze in der Kleidung.
»Würdet ihr in einer solchen Nacht draußen bleiben?«, fragte Roger nicht ganz unbegründet. Da man allgemein der Meinung war, dass kein vernünftiger Mensch das tun würde - und dass Pferde zwar nicht unbedingt vernünftige, aber doch zumindest ganz verständige Kreaturen seien -, begann man wieder in das Haus zurückzuströmen, zitternd und murrend, da jetzt die Hitze der Aufregung nachzulassen begann.
Mit den letzten Nachzüglern wandte sich auch Jamie dem Haus zu und sah mich auf der Veranda stehen. Sein Haar war offen, und das Licht aus der
offenen Tür erleuchtete ihn wie eine Fackel. Er fing meinen Blick auf, verdrehte die Augen himmelwärts und zog die Schultern zu einem kaum merklichen Achselzucken hoch. Er hätte sie schließlich sowieso nicht aufhalten können.
Ich legte meine kalten Finger an die Lippen und blies ihm einen kleinen Eiskuss zu.
VIERTER TEIL
Ich höre keine Musik außer dem Klang der Trommeln
33
Weihnachten daheim
»Was hättest du denn getan?«, fragte Brianna. Sie drehte sich um - sehr vorsichtig, weil Mr. Wemyss’ Bett so eng war - und parkte ihr Kinn bequem in Rogers Schulterbeuge.
»In welcher Hinsicht?« Zum ersten Mal seit Wochen durch und durch aufgewärmt, zum Bersten mit Mrs. Bugs opulentem Essen gefüllt und endlich im Nirwana einer Stunde unter vier Augen mit seiner Frau angelangt, fühlte sich Roger angenehm schläfrig und abwesend.
»In Bezug auf Isaiah Morton und Alicia Brown?«
Roger gähnte herzhaft und machte es sich noch bequemer, so dass die Matratze aus Maisblättern laut unter ihnen raschelte. Vermutlich hatte das ganze Haus sie vorhin gehört, als sie zugange waren - nicht, dass ihn das gekümmert hätte. Zu Ehren seiner Heimkehr hatte sie sich die Haare gewaschen; es breitete sich in Wellen über seine Brust und schimmerte seidig im sanften Leuchten des Kaminfeuers. Es war erst später Nachmittag, aber die Fensterläden waren geschlossen, und so hatten sie die Illusion, sich in einer kleinen, abgelegenen Höhle zu befinden.
»Ich weiß es nicht. Vermutlich dasselbe wie dein Pa; was sonst? Dein Haar riecht toll.« Er wickelte sich eine Locke um seinen Finger und bewunderte ihren Glanz.
»Danke. Ich habe dieses Zeug benutzt, das Mama macht, mit Walnussöl und Ringelblumen. Aber was ist mit Isaiahs armer Frau in Granite Falls?«
»Was soll mit ihr sein? Jamie konnte Morton doch nicht zwingen, zu ihr zurückzukehren - vorausgesetzt, sie möchte ihn überhaupt haben«, fügte er in aller Logik hinzu. »Und das Mädchen - Alicia - war offensichtlich mehr als willig; dein Vater konnte ihre Flucht mit Morton wohl kaum an die große Glocke hängen, es sei denn, er wollte den Mann tot sehen. Wenn die Browns Morton dort gefunden hätten, hätten sie ihn auf der Stelle umgebracht und seine Haut an ihr Scheunentor genagelt.«
Er sprach im Brustton der Überzeugung, denn er konnte sich noch gut an die Gewehrmündungen erinnern, die ihn in Brownsville empfangen hatten. Er strich ihr das Haar hinter das Ohr und hob seinen Kopf, um sie zwischen die Augenbrauen zu küssen. Seit Tagen hatte er ihn sich schon ausgemalt, diesen glatten, blassen Fleck zwischen den dichten Brauen. Er kam ihm wie eine kleine Oase inmitten ihrer lebendigen, gefährlichen Gesichtszüge vor; ihre blitzenden Augen, ihre messerscharfe Nase waren mehr als nur attraktiv,
ganz zu schweigen von ihrer beweglichen Stirn und dem breiten Mund, der seine Meinung ebenso sehr durch seine Form wie durch seine Worte kundtat - allerdings nicht friedvoll. Und nach den letzten drei Wochen war ihm sehr nach Frieden zumute.
Er ließ sich auf das Kissen zurück sinken und zog mit dem Finger den strengen Bogen ihrer Augenbraue nach.
»Ich glaube, das beste, was er unter den Umständen tun konnte, war, den Jungverliebten ein wenig Luft zu verschaffen, damit sie sich gefahrlos davonmachen konnten«, sagte er. »Mit Erfolg. Am nächsten Morgen war der Schnee schon im Begriff, sich
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