Das Flammende Kreuz
nicht nur eine; sie hatte drei Stück in Kerzenleuchtern über das Zimmer verteilt. Normalerweise hätte sie ein Binsenlicht angezündet und die wertvollen Kerzen aufgehoben, aber jetzt erglühte ein sanftes, goldenes Licht in dem kleinen Zimmer, und er erkannte, dass sein Glanz auch ihren Liebesakt erleuchtet hatte und jetzt seine Erinnerungen an Kastanienrot und Elfenbein prägte, an den Goldflaum, der sie wie ein Löwenpelz bedeckte, an das dunklere Rot und
Violett ihrer geheimen Stellen, seine dunkle Haut auf ihrer hellen - Erinnerungen, die in seinem Kopf lebhaft vor dem Hintergrund weißer Laken erglühten.
Der Boden war sauber - oder zumindest war er es gewesen -, die weißen Kieferndielen blank geschrubbt und die Ecken mit getrocknetem Rosmarin eingestreut. Als er an ihrem Ohr vorbei sah, konnte er das zerwühlte Bett sehen und erkannte, dass sie es mit frischem Leinen und einem neuen Quilt bezogen hatte. Sie hatte seine Heimkehr mit viel Mühe vorbereitet. Und er war hier hereingeplatzt, zum Bersten von seinen Abenteuern erfüllt, in Erwartung ihres Lobes, weil er das Kunststück zuwege gebracht hatte, lebend heim zu kommen, und er hatte nichts davon gesehen -blind für alles, in seinem drängenden Bedürfnis, sie zwischen seine Finger zu bekommen und ihren Körper unter dem seinen zu spüren.
»Hey«, sagte er leise in ihr Ohr. »Mag sein, dass ich ein Dummkopf bin, aber ich liebe dich, aye?«
Sie seufzte tief auf, und ihre Brüste drückten sich an seine nackte Brust, warm sogar durch den Stoff von Hemd und Kleid. Sie waren fest; sie füllten sich langsam mit Milch, waren aber noch nicht hart.
»Ja, das bist du«, sagte sie unverblümt, »aber ich liebe dich auch. Und ich bin froh, dass du wieder da bist.«
Er lachte und ließ sie los. Ein Wacholderzweig war über dem Fenster festgesteckt, schwer von blaugrünen, mit Raureif überzogenen Beeren. Er streckte die Hand aus und brach ein Stück davon ab, küsste es und steckte es ihr in den Ausschnitt ihres Mieders, zwischen ihre Brüste, ein Zeichen des Waffenstillstandes - und der Entschuldigung.
»Frohe Weihnachten. Also, was war denn jetzt mit den Gänsen?«
Sie hob eine Hand an den Wacholderzweig, ein halbes Lächeln erschien in ihrem Gesicht, um dann zu verblassen.
»Oh. Na ja. Nichts Wichtiges. Es ist nur...« Er folgte ihrer Blickrichtung, drehte sich um und sah den Papierbogen, der senkrecht hinter der Schüssel auf dem Waschtisch stand.
Es war eine Kohlezeichnung; Wildgänse, die sich vor einem stürmischen Himmel über die vom Wind gepeitschten Bäume hinwegkämpften. Es war eine wunderbare Zeichnung, und als er sie ansah, spürte er dasselbe, seltsame Gefühl, das er gespürt hatte, als er die Gänse gehört hatte-halb Glück, halb Schmerz.
»Frohe Weihnachten«, sagte Brianna leise hinter ihm. Sie trat an seine Seite und legte ihre Hand um seinen Arm.
»Danke. Es ist... Gott, Brianna, du bist wirklich gut.« Das war die Wahrheit. Er neigte den Kopf und küsste sie fest, denn er brauchte etwas, um die Sehnsucht zu lindern, die aus dem Papier in seiner Hand sprach.
»Sieh dir die andere an.« Sie trat etwas von ihm zurück, ohne seinen Arm loszulassen, und wies kopfnickend auf den Waschtisch.
Er hatte gar nicht gesehen, dass es zwei waren. Die andere Zeichnung hatte hinter der ersten gestanden.
Sie war gut. So gut, dass ihm das Blut im Herzen gefror. Auch die zweite Zeichnung war mit Kohle angefertigt, dieselben sparsamen Schwarz-, Weiß-und Grautöne. In der ersten hatte sie die Wildheit des Himmels gesehen und festgehalten: Sehnsucht und Mut, unablässige, vertrauensvolle Anstrengung inmitten der Leere von Luft und Sturm. In dieser hier hatte sie Stille gesehen.
Es war eine tote Gans, die mit halb ausgebreiteten Flügeln an den Füßen aufgehängt war. Ihr Hals war schlaff, der Schnabel halb geöffnet, so als suchte sie noch im Tod den Flug und die lauten Rufe ihrer Begleiter. Die Linien waren die reine Anmut, die Details der Federn, des Schnabels und der leeren Augen erlesen. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie etwas so Schönes - und so Trostloses gesehen.
»Das habe ich letzte Nacht gezeichnet«, sagte sie leise. »Alle waren im Bett, aber ich konnte nicht schlafen.«
Sie hatte einen Kerzenhalter ergriffen und rastlos das überfüllte Haus durchstreift, bis sie schließlich trotz der Kälte ins Freie ging, um im kühlen Dunkel der Nebengebäude Einsamkeit, vielleicht sogar Ruhe zu finden. Und im Räucherschuppen war ihr
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