Das Flammende Kreuz
Allerwertesten gebissen hat.«
»Oh, ich gebe die Hoffnung nicht auf«, versicherte er mir mit glitzernden Augen. Er verbeugte sich und schaffte es dabei, meine Hand erneut zu fassen
zu bekommen. »Dürfte ich die Ehre haben, Euch später um einen Tanz zu bitten, Mrs. Fraser?«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte ich und ruckte an meiner Hand. »Lasst los.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl.« Er ließ los, jedoch nicht, ohne mir zuvor einen leichten Kuss auf den Handrücken zu drücken. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mir die feuchte Stelle an meinem Rock abzuwischen.
»Hinweg mit Euch, Kindskopf«, sagte ich. Ich schlug mit dem Fächer nach ihm. »Kusch.«
Philip Wylie war ein Lebemann. Ich war ihm bereits zweimal begegnet, und beide Male war er so sehr herausgeputzt gewesen, dass es einem schier den Atem verschlug: Satinkniehose, Seidenstrümpfe und alles, was dazugehörte, einschließlich gepuderter Perücke, gepudertem Gesicht und einem kleinen, schwarzen, halbmondförmigen Schönheitspflaster, das ganz hinreißend neben seinem Auge klebte.
Jetzt hatte sich die Dekadenz allerdings ausgeweitet. Die gepuderte Perücke war malvenfarbig, die Satinweste war bestickt mit - ich kniff die Augen zu. Ja, mit Löwen und Einhörnern in Gold- und Silbergarn. Die Satinhose passte ihm wie ein zweigeteilter Handschuh, und der Halbmond war einem Stern neben seinem Mundwinkel gewichen. Mr. Wylie war ein Honigkuchenpferd geworden - mit Zuckerguss.
»O nein, ich habe nicht vor, Euch einfach so stehen zu lassen, Mrs. Fraser«, versicherte er mir. »Ich habe überall nach Euch gesucht.«
»Oh. Nun, jetzt habt Ihr mich ja gefunden«, sagte ich und betrachtete seinen Rock, der aus rosafarbenem Samt war. Er hatte riesige Ärmelaufschläge aus blassrosa Seide und Porzellanknöpfe, die mit scharlachroten Pfingstrosen bemalt waren. »Obwohl es ja kein Wunder ist, dass Ihr Schwierigkeiten hattet. Der Glanz Eurer Weste hat Euch wohl geblendet.«
Wie immer war Lloyd Stanhope bei ihm; ebenfalls wohlhabend, aber sehr viel schlichter gekleidet als sein Freund. Stanhope prustete los, doch Wylie ignorierte ihn und verbeugte sich elegant vor mir.
»Ah, nun, Fortuna ist mir dieses Jahr hold. Der Handel mit England hat sich wieder erholt, den Göttern sei Dank - und ich habe meinen Anteil daran, und mehr als das. Ihr müsst mitkommen und Euch ansehen, was ich -«
In diesem Moment rettete mich Adlai Osborn, ein gut betuchter Kaufmann von der Küste, durch sein plötzliches Auftauchen. Er tippte Wylie auf die Schulter. Ich nutzte die Gelegenheit, die sich durch diese Ablenkung bot, um meinen Fächer zu heben und mich durch eine Lücke in der Menge davonzustehlen.
Da ich mir für den Augenblick selbst überlassen war, verließ ich die Terrasse und schlenderte lässig über den Rasen. Ich hielt nach wie vor nach Jamie oder Duncan Ausschau, nutzte jedoch auch die Gelegenheit, mir erstmals
Jocastas neueste Errungenschaften anzusehen, die die Hochzeitsgäste zu immer neuen Kommentaren anregten. Es waren zwei weiße Marmorstatuen, die jeweils in der Mitte eines Rasenquadrates standen.
Unmittelbar in meiner Nähe befand sich die lebensgroße Replik eines griechischen Kriegers - ich vermutete, dass es ein Spartaner war, da man auf jedes frivole Kleidungsstück verzichtet hatte und der Herr nichts als einen stabil aussehenden Helm mit einem Federbusch trug und in jeder Hand ein Schwert hatte. Zu seinen Füßen stand strategisch platziert ein großer Schild, der die auffälligen Mängel seiner Garderobe überdeckte.
Auf der rechten Rasenfläche stand das Gegenstück, das Diana, die Jägerin, darstellte. Die Dame war zwar spärlich bekleidet, und ihre wohlgeformten, weißen Brüste zogen anerkennende Seitenblicke der anwesenden Herrenwelt auf sich, doch was das Ausmaß der öffentlichen Faszination betraf, so konnte sie ihrem Begleiter nicht das Wasser reichen. Ich lächelte hinter meinem Fächer, als ich sah, wie Mr. und Mrs. Sherston an der Statue vorbeischwebten, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ihre erhobenen Nasen und gelangweilten Mienen besagten, dass solche Kunstwerke in Europa gang und gäbe seien. Nur Kolonialisten, denen es sowohl an Kultur als auch an guter Herkunft mangelte, würden ein Spektakel darin sehen, meine Liebe.
Als ich die Statue meinerseits genauer betrachtete, stellte ich fest, dass sie doch keinen anonymen Griechen darstellte, sondern vielmehr Perseus. Jetzt konnte ich auch erkennen, dass der Gegenstand am Fuß des Schildes,
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