Das Flammende Kreuz
beschämen und Euer Haar lang tragen wie eine Squaw, so dass alle Welt denkt, ich verstehe mein Handwerk nicht?«
»Oh, das möge der Himmel verhüten.« Gereizter Humor ließ Jocastas breiten Mund zucken. »Bitte frisiere es schlicht, kämme es zurück und stecke es auf. Vielleicht darfst du dein Können ja an den Locken meiner Nichte demonstrieren.«
Phaedre sah sich mit zusammengekniffenen Augen nach Brianna um, doch diese lächelte nur und schüttelte den Kopf. Um den öffentlichen Anstand
zu wahren, hatte sie ein besticktes Häubchen aufgesetzt, und sie hatte nicht vor, großen Aufwand mit ihrem Haar zu betreiben. Die Sklavin schnaubte vor sich hin und nahm ihren Überredungsversuch bei Jocasta wieder auf. Brianna schloss die Augen und ließ das freundschaftliche Gezänk in den Hintergrund treten. Die Sonne fiel warm durch das Fenster auf ihre Füße, und das Feuer summte und knisterte in ihrem Rücken und umhüllte sie wie das alte, wollene Schultertuch, das sie um sich und den kleinen Jemmy geschlungen hatte.
Jenseits von Jocastas und Phaedres Stimmen konnte sie das Rumoren des Hauses unter sich hören. Sämtliche Zimmer des Hauses quollen vor Gästen über. Manche von ihnen übernachteten auf den nahe gelegenen Plantagen und waren zum Fest herbei geritten, doch auch River Run selbst beherbergte so viele Menschen, dass alle Schlafkammern voll waren, die Gäste zu fünft oder sechst in einem Bett übernachteten und der Boden zusätzlich mit Strohmatratzen bedeckt war.
Brianna betrachtete Jocastas großes Himmelbett voll Neid. Verhindert durch die anstrengende Reise, durch Jemmy und die Übervölkerung auf River Run, hatten sie und Roger seit über einer Woche nicht mehr zusammen geschlafen und würden wahrscheinlich vor ihrer Rückkehr nach Fraser’s Ridge auch nicht mehr dazu kommen.
Nicht, dass es ihr nur darum ging, mit ihm zu schlafen, so schön das auch war. Durch das Ziehen des Babymundes regten sich anderswo eine Reihe weniger mütterlicher Bedürfnisse, die sich nur mit Rogers Hilfe und ein wenig Zurückgezogenheit stillen ließen. Am Abend zuvor hatten sie in der Vorratskammer einen viel versprechenden Anfang gemacht, waren aber durch einen der Küchensklaven unterbrochen worden, der den Käse holen wollte. Vielleicht der Stall? Sie streckte ihre Beine aus, kringelte die Zehen ein und fragte sich, ob die Stallknechte wohl im Stall schliefen oder nicht.
»Nun gut, dann werde ich eben die Brillanten tragen, aber nur, um dir eine Freude zu machen, a nighean .« Jocastas humorvolle Stimme riss sie aus der verlockenden Vision einer dunklen, mit Heu ausgelegten Box, in deren Zwielicht Rogers nackter Körper halb sichtbar war.
Sie blickte von ihrem selig trinkenden Baby auf und sah Jocasta an, die auf der Erkerbank saß. Das blasse Frühlingslicht fiel durch das Fenster auf ihr Gesicht. Sie sah geistesabwesend aus, dachte Brianna, so als lauschte sie auf etwas, das schwach hörbar und weit weg war und das nur sie allein hören konnte. Vielleicht das Murmeln der Hochzeitsgäste in der unteren Etage.
Das Summen unten im Haus erinnerte sie an die Bienenstöcke ihrer Mutter im Sommer; ein Dröhnen, das man hören konnte, wenn man sein Ohr an eines der Bienenhäuser hielt, ein entferntes Geräusch geschäftiger Zufriedenheit. Dieser Schwarm hier produzierte keinen Honig, sondern Gespräche, jedoch mit dem gleichen Hintergedanken: Reserven anzulegen, die ihnen über die trostlosen, nektarlosen Tage des Entzuges hinweg helfen würden.
»Das reicht, das reicht.« Jocasta schob Phaedre mit einem Wink zur Seite und stand auf. Sie scheuchte die Magd aus dem Zimmer und trat dann zur Ankleide, auf der sie unruhig mit dem Finger herumklopfte, während sie offenbar darüber nachdachte, um welche Einzelheiten sie sich noch kümmern musste. Jocasta zog die Augenbrauen zusammen und presste zwei Finger auf die Stelle über ihren Augen.
»Hast du Kopfschmerzen, Tante Jocasta?« Brianna sprach leise, um Jemmy nicht zu stören, der fast eingeschlafen war. Jocasta ließ ihre Hand sinken und drehte sich mit einem kleinen, ironischen Lächeln zu ihrer Nichte um.
»Och, das ist nicht schlimm. Immer, wenn sich das Wetter wendet, wendet mein Kopf sich mit.«
Trotz ihres Lächelns konnte Brianna die kleinen Schmerzfalten sehen, die an Jocastas Augenwinkeln zerrten.
»Jemmy ist fast fertig. Ich gehe Mama holen, ja? Sie könnte dir eine Tisane machen.«
Jocasta winkte mit der Hand ab, kämpfte aber mit sichtlicher
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