Das Flammende Kreuz
herum. Mit der Sonne!«
Verwundert ergriff Brianna das Stöckchen, hielt es ins Feuer, dann tat sie, was ihr aufgetragen war, wobei sie den brennenden Zweig in gebührendem Abstand von der improvisierten Wiege und von ihrem blauen Wollrock entfernt hielt. Jocasta klopfte rhythmisch mit dem Fuß auf den Boden und sang leise vor sich hin.
Sie sprach Gälisch, jedoch so langsam, dass Brianna die meisten Worte verstehen konnte.
Die Weisheit der Schlange sei dein ,
Die Weisheit des Raben sei dein ,
Weisheit des tapferen Adlers .
Die Stimme des Schwans sei dein ,
Die Stimme des Honigs sei dein ,
Stimme des Sohns der Sterne.
Der Schutz vor der Elfenfrau sei dein ,
Der Schutz vor dem Elfenpfeil sei dein ,
Der Schutz vor dem roten Hund sei dein .
Die Schätze der See seien dein,
Die Schätze des Landes seien dein,
Schätze des Himmlischen Vaters.
Ein jeder Tag sei glücklich für dich,
Kein Tag schlecht für dich,
Ein Leben voll Glück und Zufriedenheit.
Jocasta hielt inne, die Stirn leicht gerunzelt, als lauschte sie auf Widerspruch aus der Elfenwelt. Sichtlich zufrieden gestellt, gestikulierte sie in Richtung des Kamins.
»Wirf den Zweig ins Feuer. Dann ist das Kind vor den Flammen sicher.«
Brianna gehorchte und stellte zu ihrer Faszination fest, dass sie nichts von all dem auch nur annähernd lächerlich fand. Seltsam, aber höchst befriedigend zu glauben, dass sie auf diese Weise dazu beitrug, Unheil von Jemmy fern zu halten - und mochte es auch Unheil durch Feenhand sein, obwohl sie persönlich nicht an Feen glaubte. Oder bis jetzt nicht geglaubt hatte.
Eine Melodie driftete von unten herauf; jemand spielte Geige, und sie hörte den Klang einer Stimme, tief und weich. Sie konnte keine Worte ausmachen, doch sie kannte das Lied.
Jocasta legte den Kopf schief, lauschte und lächelte.
»Er hat eine schöne Stimme, dein junger Mann.«
Auch Brianna lauschte. Ganz schwach hörte sie irgendwo unten das vertraute Auf und Ab der Melodie von »My Love is in America«. Wenn ich singe, singe ich immer für dich . Ihre Brüste waren jetzt weich und enthielten keine Milch mehr, doch bei dieser Erinnerung kribbelten sie sacht.
»Du hast gute Ohren, Tante Jocasta«, sagte sie und schob den Gedanken lächelnd beiseite.
»Bist du zufrieden mit deiner Ehe?«, fragte Jocasta abrupt. »Hast du mit dem Jungen einen guten Fang gemacht?«
»Ja«, sagte Brianna ein wenig verblüfft. »Ja - ja, sehr.«
»Das ist gut.« Ihre Großtante stand still, den Kopf zur Seite geneigt, und lauschte immer noch. »Aye, das ist gut«, wiederholte sie leise.
Einem Impuls folgend, legte Brianna eine Hand auf das Handgelenk der älteren Frau.
»Und du, Tante Jocasta?«, fragte sie. »Bist du... zufrieden?«
»Glücklich« schien angesichts der Reihe von Ringen in der Schatulle nicht das richtige Wort zu sein. »Ein guter Fang« kam ihr auch nicht passend vor, denn sie musste daran denken, wie Duncan am Abend zuvor gedankenverloren in der Ecke des Salons gesessen hatte, schüchtern und wortlos, sobald ihn jemand anders als Jamie ansprach, und auch heute Morgen war er verschwitzt und nervös gewesen.
»Zufrieden?« Jocasta klang verwirrt. »Oh - mit der Hochzeit, meinst
du?« Zu Briannas Erleichterung lachte ihre Tante, und die Linien ihres Gesichtes verzogen sich in aufrichtiger Belustigung.
»Oh, aye, aber sicher doch«, sagte sie. »Es ist schließlich das erste Mal seit fünfzig Jahren, dass ich mir einen anderen Namen zulege!«
Die alte Dame schnaubte belustigt auf. Dann wandte sie sich zum Fenster und presste die Handfläche gegen das Glas.
»Es ist ein schöner Tag draußen, Kleine«, sagte sie. »Warum nimmst du dir nicht deinen Umhang und genießt die frische Luft und die Gesellschaft?«
Sie hatte Recht; in einiger Entfernung glänzte der Fluss hinter einem Geflecht aus grünen Zweigen auf, und die Luft im Zimmer, die ihr gerade noch so gemütlich erschienen war, kam ihr plötzlich abgestanden und stickig vor.
»Ich glaube, das mache ich auch.« Brianna warf einen Blick auf die improvisierte Wiege. »Soll ich Phaedre rufen, damit sie auf das Baby Acht gibt?«
Jocasta drängte sie mit einer Geste ihrer Hand zu gehen.
»Och, fort mit dir. Ich kümmere mich um das Kind. Ich habe vorerst noch nicht vor, hinunterzugehen.«
»Danke, Tante Jocasta.« Sie küsste der alten Frau die Wange und wandte sich zum Gehen - dann warf sie einen Blick auf ihre Tante, trat noch einmal auf den Kamin zu und schob die Wiege
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