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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verdrängte entschlossen jeden Gedanken an die beschämende Szene im Stall. Zumindest im übertragenen Sinne hätte ich Duncan Innes’ Geschlechtsteile furchtbar gern in die Finger bekommen.
    Von einer direkten Kastration abgesehen, gab es nicht besonders viele Möglichkeiten, durch ein Verletzungstrauma physisch impotent zu werden. Angesichts der primitiven Vorgehensweise, die sich heutzutage Chirurgie nannte, war es möglich, dass der Arzt, der die ursprüngliche Verletzung behandelt hatte - falls sie behandelt worden war - tatsächlich einfach beide Hoden entfernt hatte. Doch wenn das der Fall war - hätte Duncan es dann nicht gesagt?
    Nun, vielleicht nicht. Duncan war ein ausgesprochen schüchterner und bescheidener Mann, und selbst ein Mensch von extrovertierterem Charakter hätte möglicherweise Hemmungen gehabt, jemand anderem ein solches Unglück einzugestehen, selbst wenn es ein enger Freund war. Doch war es möglich, eine solche Verletzung in der Enge eines Gefängnisses geheim zu halten? Ich trommelte mit den Fingern auf den Intarsien des Tisches vor Jocastas Tür herum und überlegte.
    Es war zweifellos möglich, dass ein Mann mehrere Jahre lang nicht badete; ich war schon diversen Herren begegnet, auf die dies ganz offensichtlich
zutraf. Andererseits waren die Gefangenen von Ardsmuir gezwungen gewesen, im Freien zu arbeiten, wo sie Torf stachen oder im Steinbruch beschäftigt waren; sie mussten regelmäßig Zugang zu offenem Wasser gehabt haben und hatten sich vermutlich zumindest regelmäßig gewaschen, wenn auch nur, um den Juckreiz des Ungeziefers unter Kontrolle zu halten. Das konnte man jedoch wahrscheinlich, ohne sich ganz auszuziehen.
    Ich vermutete, dass Duncan noch mehr oder minder intakt war. Es war sehr viel wahrscheinlicher, dachte ich, dass seine Impotenz psychologischen Ursprungs war; jeder Mann, dessen Hoden halb zerquetscht wurden, bekam zwangsweise einen Schrecken, und es war gut möglich, dass ein verfrühtes Experiment Duncan zu der Überzeugung gebracht hatte, dass sich bei ihm nichts mehr rührte.
    Ich ließ mir Zeit mit dem Anklopfen, jedoch nicht lange. Ich hatte schließlich Erfahrung darin, den Leuten schlechte Nachrichten zu überbringen, und wenn mich diese Erfahrung eines gelehrt hatte, so war es, dass lange Vorbereitungen oder besorgte Überlegungen, was man sagen sollte, zwecklos waren. Wortgewandtheit war in einer solchen Situation kaum hilfreich, und Offenheit schloss Mitgefühl ja nicht aus. Ich klopfte laut und kurz an die Tür und trat auf Jocastas Aufforderung hin ein.
    Vater LeClerc war bei ihr. Er saß an einem kleinen Tisch in der Ecke und machte sich gerade fleißig über ein großes Sortiment an Essbarem her. Zwei Flaschen Wein - eine davon leer - standen ebenfalls auf dem Tisch, und bei meinem Eintreten blickte der Priester mit einem fettig strahlenden Lächeln auf, das so aussah, als umliefe es sein ganzes Gesicht und als sei es hinter seinen Ohren verknotet.
    »Tally-ho, Madame!«, sagte er fröhlich und schwang grüßend ein Truthahnbein in meine Richtung. »Tally-ho, Tally-ho!«
    » Bon jour « klang im Kontrast dazu geradezu verklemmt, weshalb ich mich mit einem Knicks und einem kurzen »Na dann, cheerio!« als Antwort begnügte.
    Es gab eindeutig keine Möglichkeit, den Priester loszuwerden, und ich konnte mit Jocasta nirgendwo anders hin, da Phaedre im Ankleidezimmer mit zwei Kleiderbürsten ein großes Theater veranstaltete. Doch angesichts von Vater LeClercs eingeschränkten Englischkenntnissen ging ich davon aus, dass es nicht unbedingt nötig war, unter vier Augen zu sein.
    Daher berührte ich Jocasta am Ellbogen und murmelte ihr diskret zu, dass wir uns vielleicht in die Fensternische setzen sollten, da ich etwas Wichtiges mit ihr zu besprechen hätte. Sie machte ein überraschtes Gesicht, nickte aber, und nachdem sie sich entschuldigend vor Vater LeClerc verneigt hatte - der es nicht bemerkte, da er mit einem hartnäckigen Hautstück beschäftigt war -, kam sie zu mir und setzte sich.
    »Aye, Nichte?«, sagte sie, nachdem sie ihre Röcke über ihrem Knie zurechtgestrichen hatte. »Was gibt es denn?«

    »Nun«, sagte ich und holte tief Luft, »es geht um Duncan. Verstehst du, es ist so...«
    Und sie verstand. Ihr Gesicht verlor vor Erstaunen jeden Ausdruck, als ich zu sprechen begann, doch ich war mir einer zunehmenden Veränderung in ihrer Haltung bewusst, während sie mir zuhörte - beinahe... Erleichterung, dachte ich überrascht.
    Sie spitzte

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