Das Flammende Kreuz
- auch wenn sich diese leicht aufschieben ließ, falls Betty größerer Aufmerksamkeit bedurfte als erwartet.
Angesichts der ungeliebten Stellung der Katholiken in der Kolonie wollte Jocasta ihre Gäste - zum Großteil Protestanten verschiedener Bekenntnisse - nicht dadurch brüskieren, dass sie sie zwang, der eigentlichen, papistischen Zeremonie beizuwohnen. Die Trauung selbst würde diskret in ihrem Boudoir abgehalten werden, und dann würden die frisch Vermählten Arm in Arm die Treppe hinunter steigen, um mit ihren Freunden zu feiern, die sich dann ganz diplomatisch einreden konnten, dass Vater LeClerc nur ein exzentrisch gekleideter Hochzeitsgast war.
Als ich mich dem Speicher näherte, hörte ich zu meiner Überraschung oben Stimmengemurmel. Die Tür zum Schlafraum der weiblichen Sklaven war nur angelehnt; ich drückte sie auf und stellte fest, dass Ulysses mit verschränkten Armen am Kopfende eines der schmalen Betten stand. Er sah aus wie ein aus Ebenholz geschnitzter Racheengel. Offensichtlich betrachtete er den unglücklichen Vorfall als schwere Verletzung von Bettys Dienstpflichten. Ein kleiner, adretter Herr, der einen Frack und eine große Perücke trug, stand gebückt an ihrer Seite, einen kleinen Gegenstand in der Hand.
Bevor ich etwas sagen konnte, presste er diesen gegen den schlaffen Arm der Magd. Es ertönte ein leises, scharfes Klicken, und er entfernte den Gegenstand, der ein Rechteck aus aufquellendem Blut zurückließ, das sich kräftig und dunkelrot von der braunen Haut der Sklavin abhob. Die Tropfen wurden größer, verschwammen und begannen, an ihrem Arm entlang in die Schüssel unter ihrem Ellbogen zu laufen.
»Ein Stichelmesser«, erklärte der kleine Mann Ulysses voller Stolz und zeigte ihm den Gegenstand. »Eine große Verbesserung gegenüber grobem Gerät wie Lanzetten und Aderlassklingen. Ich habe es aus Philadelphia!«
Der Butler neigte höflich den Kopf, vielleicht, um auf die Aufforderung einzugehen und das Instrument näher zu betrachten, vielleicht auch, um der distinguierten Herkunft desselben seine Anerkennung zu zollen.
»Mrs. Cameron wird Euch für Eure gütige Herablassung sicher zutiefst verpflichtet sein, Dr. Fentiman«, murmelte er.
Fentiman. Dies war also das medizinische Establishment von Cross Creek. Ich hatte schon so einiges über den Doktor gehört, allerdings nichts Gutes. Ich räusperte mich, und Ulysses hob mit alarmiertem Blick den Kopf.
»Mistress Fraser«, sagte er mit einer kleinen Verneigung. »Dr. Fentiman hat gerade -«
»Mistress Fraser?« Doktor Fentiman war herumgefahren und betrachtete mich mit demselben argwöhnischen Interesse wie ich ihn. Offensichtlich hatte auch er schon von mir gehört. Doch seine guten Manieren behielten die Oberhand, und er verbeugte sich vor mir, eine Hand an der Brust seiner Satinweste.
»Stets zu Diensten, Ma’am«, sagte er und erhob sich leicht schwankend wieder in die Senkrechte. Sein Atem roch nach Brandy, und ich sah die Spuren des Alkohols in den kleinen, geplatzten Blutgefäßen im Inneren seiner Nase und auf seinen Wangen.
»Hoch erfreut, wirklich«, sagte ich und reichte ihm meine Hand zum Kuss. Er machte zunächst ein überraschtes Gesicht, beugte sich dann jedoch elegant darüber. Ich blinzelte über seinen gepuderten Kopf hinweg und versuchte, im gedämpften Licht des Speichers so viel wie möglich von Betty auszumachen.
Ihrer aschfahlen Hautfarbe nach hätte Betty genauso gut schon eine Woche tot sein können, doch das bisschen Licht, das in den Speicher fiel, kam durch das dicke Ölpapier, das die winzigen Giebelfenster verschloss. Auch Ulysses sah grau aus wie mit Asche bestäubte Holzkohle.
Das Blut am Arm der Sklavin hatte bereits zu gerinnen begonnen; das war gut - obwohl es mich schauderte, wenn ich daran dachte, bei wie vielen Menschen Fentiman sein scheußliches, kleines Gerät schon benutzt haben mochte, seitdem er es besaß. Sein Koffer stand offen neben dem Bett, und nichts deutete darauf hin, dass es ihm in den Sinn kam, seine Instrumente vor und nach Gebrauch zu reinigen.
»Es ist wirklich sehr freundlich von Euch, Mrs. Fraser«, verkündete der Doktor, der sich jetzt wieder aufrichtete, meine Hand jedoch weiter fest hielt - um sich zu stützen, vermutete ich. »Es ist jedoch nicht nötig, dass Ihr Euch bemüht. Mrs. Cameron ist eine alte und geschätzte Freundin von mir; es macht mir nichts aus, mich um ihre Sklavin zu kümmern.« Er lächelte gütig und blinzelte, um mich klar sehen
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