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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Nach dem Tod gerinnt das Blut, doch dann verflüssigt es sich allmählich wieder.
    »Kannst du mir bitte noch etwas Watte reichen?« Ein paar kleine Blutflecken auf dem Leichentuch würden angesichts der spektakulären Natur von Bettys Tod sicher niemanden beunruhigen, doch ich musste vermeiden, dass es so viel wurde, dass jemand Verdacht schöpfte und nachsah.
    Ich beugte mich vor, um ihm die Baumwolle aus der Hand zu nehmen und legte dabei der Leiche unbeabsichtigt die Hand auf die Seite. Der Körper gab ein leises Stöhnen von sich, und Jamie sprang mit einem erschrockenen Ausruf zurück. Das Licht schlingerte wild.
    Auch ich war zusammengefahren, erholte mich jedoch schnell.
    »Schon gut«, sagte ich, obwohl mein Herz rasend schlug und der Schweiß in meinem Gesicht plötzlich kalt geworden war. »Es ist nur eingeschlossenes Gas. Leichen machen oft seltsame Geräusche.«
    »Aye.« Jamie schluckte und nickte, während er die Laterne zur Ruhe brachte. »Aye, das habe ich schon oft erlebt. Aber es überrascht einen doch ein wenig, nicht wahr?« Er lächelte mich schief an, obwohl ein heller Schweißfilm auf seiner Stirn glänzte.
    »Das kann man wohl sagen.« Mir wurde klar, dass er es ja selbst schon mit einer ganzen Reihe von Leichen zu tun gehabt hatte, die grundsätzlich nicht einbalsamiert waren, und dass ihm die Phänomene des Todes wohl auch nicht minder vertraut waren als mir. Vorsichtig legte ich die Hand noch einmal auf dieselbe Stelle, doch es gab keine weiteren Geräusche, und ich nahm meine Untersuchung wieder auf.
    Ein weiterer Unterschied zwischen dieser improvisierten Autopsie und der modernen Form bestand im Fehlen von Handschuhen. Meine Hände waren blutig bis zum Gelenk, und die Organe und Membranen fühlten sich schwach, aber unangenehm schleimig an; trotz der Kälte im Inneren des Schuppens hatte der unausweichliche Prozess des Verfalls bereits begonnen. Ich schob meine Hand unter das Herz und hob es ans Licht, um es nach deutlichen Verfärbungen der Oberfläche oder sichtlichen Rissen der großen Blutgefäße abzusuchen.
    »Manchmal bewegen sie sich auch«, sagte Jamie nach einer kurzen Pause. Sein Tonfall war merkwürdig, und ich sah überrascht zu ihm auf. Er hatte den Blick fest auf Bettys Gesicht geheftet, doch sein Ausdruck war so abwesend, dass er mit Sicherheit etwas anderes sah.
    »Wer bewegt sich?«
    »Leichen.
    Mir lief eine Gänsehaut über die Unterarme. Er hatte Recht, aber ich fand, dass er diese Beobachtung gegenwärtig besser für sich behalten hätte.

    »Ja«, sagte ich so beiläufig wie möglich und richtete den Blick wieder auf meine Arbeit. »Ein bekanntes, postmortales Phänomen. Normalerweise nur durch Gase verursacht.«
    »Ich habe einmal gesehen, wie ein Toter sich hingesetzt hat«, sagte er, und sein Tonfall war genauso beiläufig wie der meine.
    »Was, bei einer Totenwache? Er war gar nicht tot?«
    »Nein, in einem Feuer. Und er war mausetot.«
    Ich blickte scharf auf. Seine Stimme klang flach und sachlich, doch sein Gesicht trug einen nach innen gekehrten Ausdruck tiefster Gedankenverlorenheit; was auch immer er damals gesehen hatte, er sah es jetzt wieder.
    »Nach der Schlacht von Culloden haben die Engländer die Toten aus den Highlands auf dem Feld verbrannt. Wir konnten die Feuer riechen, aber ich habe sie erst gesehen, als sie mich ins Freie geholt und auf den Wagen gelegt haben, um mich heimzuschicken.«
    Er hatte unter einer Lage Heu versteckt gelegen und die Nase zum Atmen an eine Ritze zwischen den Brettern gepresst. Der Kutscher hatte das Feld weiträumig umfahren, um eventuellen Fragen der Truppen in der Nähe der Kate auszuweichen, und einmal hatte er ein paar Minuten angehalten, um abzuwarten, bis eine Gruppe Soldaten weiter gezogen war.
    »Vielleicht zehn Meter von uns entfernt brannte ein frischer Scheiterhaufen; sie hatten ihn kurz zuvor in Brand gesetzt, denn die Kleider begannen gerade erst zu verkohlen. Ich habe Graham Gillespie ganz in meiner Nähe auf dem Haufen liegen sehen, und er war mit Sicherheit tot, denn er hatte einen Pistolenschuss an der Schläfe.«
    Der Wagen hatte eine Zeit lang gewartet, die ihm endlos erschienen war, wenn er auch vom Fieber und den Schmerzen zu benommen gewesen war, um es genau zu sagen. Doch während er auf den Scheiterhaufen starrte, hatte er gesehen, wie Gillespie sich plötzlich inmitten der Flammen hinsetzte und den Kopf wandte.
    »Er hat mich direkt angesehen«, sagte er. »Wäre ich bei Verstand gewesen,

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