Das Flammende Kreuz
was es war, doch in meinem Hinterkopf regte sich ein unangenehmer Verdacht. Ich nahm mir vor, den Magen zu spülen und den Bodensatz aufzufangen und mit zurück ins Haus zu nehmen, wo ich ihn am Morgen bei richtigem Licht betrachten konnte. Wenn es das war, was ich dachte...
Die Tür des Schuppens schwang ohne jede Vorwarnung auf. Ein heftiger, kalter Luftzug ließ die Laterne hoch und hell aufflammen - hell genug, um mir Philip Wylies Gesicht zu zeigen, das bleich und schockiert im Türrahmen auftauchte.
Er starrte mich mit offenem Mund an, dann schloss er ihn und schluckte. Sein Blick wanderte langsam über die Szene und kehrte dann voller Entsetzen zu meinem Gesicht zurück.
Ich war ebenfalls schockiert. Das Herz war mir in den Hals gehüpft, und meine Hände waren erstarrt, aber mein Hirn arbeitete rasend.
Was würde passieren, wenn er einen Aufruhr verursachte? Es würde ein schrecklicher Skandal werden, ganz gleich, ob es mir gelang zu erklären, was ich getan hatte, oder nicht. Wenn nicht - eine eisige Welle der Furcht überkam mich. Ich war schon einmal dicht daran gewesen, wegen Hexerei verbrannt zu werden, und das war schon einmal zu viel.
Ich spürte eine leichte Luftbewegung zu meinen Füßen und begriff, dass Jamie im Dunkel unter dem Tisch hockte. Der Schein der Laterne war hell, aber begrenzt; ich stand bis zur Taille im Dunklen. Wylie hatte ihn nicht gesehen. Ich streckte einen Zeh aus und stieß ihn an, um ihm zu signalisieren, dass er bleiben sollte, wo er war.
Ich zwang mich, Philip Wylie zuzulächeln, obwohl mir das Herz wild hämmernd im Halse steckte. Ich schluckte krampfhaft und sagte die ersten Worte, die mir einfielen - zufälligerweise war es: »Guten Abend«.
Er leckte sich die Lippen. Im Augenblick trug er weder Schönheitspflästerchen noch Puder, doch er war so bleich wie das Musselinlaken.
»Mrs.... Fräser«, sagte er und schluckte ein zweites Mal. »Ich - äh - was macht Ihr hier?«
Eigentlich hatte ich gedacht, dass das einigermaßen offensichtlich war;
wahrscheinlich bezog sich seine Frage ja auf die Gründe, warum ich es tat - und ich hatte nicht die Absicht, ihm diese näher zu erläutern.
»Das braucht Ihr nicht zu wissen«, sagte ich kühl und fand ein wenig zu meiner Fassung zurück. »Was macht Ihr hier, dass Ihr mitten in der Nacht in der Gegend herumschleicht?«
Das war offensichtlich eine gute Frage; seine Miene schlug von offenem Entsetzen in Argwohn um. Sein Kopf zuckte, als wollte er hinter sich blicken. Er hielt in der Bewegung inne, bevor er sie vollenden konnte, doch mein Blick folgte ihrer Richtung. Hinter ihm stand ein Mann in der Dunkelheit; ein hoch gewachsener Mann, der jetzt vortrat. Sein Gesicht schimmerte bleich im Schein der Laterne, und seine sardonischen Augen waren grün wie Stachelbeeren. Stephen Bonnet.
»Himmel!«, sagte ich.
An diesem Punkt ereignete sich eine ganze Reihe von Dingen: Jamie kam unter dem Tisch hervorgeschossen wie eine angreifende Kobra; Philip Wylie sprang mit einem Schreckensruf von der Tür zurück, und die Laterne krachte von ihrem Nagel zu Boden. Es roch heftig nach verspritztem Öl und Brandy; es ertönte ein leises Wusch wie beim Anspringen eines Heizofens, und schon stand das zusammengeballte Leichentuch zu meinen Füßen in Flammen.
Jamie war fort; draußen in der Dunkelheit erschollen Rufe und die Geräusche von Schritten auf dem Pflaster. Ich stampfte auf den brennenden Stoff, um das Feuer auszutreten.
Dann überlegte ich es mir anders und warf mich stattdessen mit einem Satz gegen den Tisch, so dass er umstürzte und seine Last auf dem Boden landete. Mit einer Hand ergriff ich das flammende Leichentuch und zog es über die Leiche und den umgestürzten Tisch. Der Boden des Schuppens war dick mit Sägespänen bestreut, die an einigen Stellen bereits brannten. Ich versetzte der zersplitterten Laterne einen festen Tritt und schleuderte sie gegen die trockenen Wandbretter. Dabei verteilte sich das restliche Öl, das sich sofort entzündete.
Im Gemüsegarten erklangen laute, alarmierte Rufe; ich musste hier hinaus. Ich ergriff meine Tasche und flüchtete in die Nacht, meine Faust immer noch fest um das Indiz geballt. Es war meine einzige Gewissheit in all dem Chaos. Ich hatte zwar keine Ahnung, was hier vorging oder was als Nächstes geschehen mochte, aber wenigstens wusste ich mit Sicherheit, dass ich Recht hatte. Betty war tatsächlich ermordet worden.
Einige Sklaven, die durch den Tumult geweckt worden
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