Das Flammende Kreuz
verkrampften Finger öffnete und den Inhalt meiner Hand vorsichtig in das Glas schabte. Meine Finger zitterten so sehr, dass ich den Korken der Flasche nicht zu packen bekam; schließlich zog ich ihn mit den Zähnen heraus und goss mir den Alkohol über die offene Handfläche, um den Rest der körnigen Substanz in das Glas zu spülen.
Das Haus war jetzt geweckt; ich konnte Stimmen hören, die aus dieser Richtung kamen. Was war nur los? Wo war Jamie - und wo waren Bonnet und Philip Wylie? Jamies einzige Waffe war seine Flasche Weihwasser gewesen; wie stand es mit den beiden anderen? Zumindest hatte ich keine Schüsse gehört - aber Klingen machten kein Geräusch.
Ich spülte mir beide Hände hastig mit der restlichen Flüssigkeit aus der Waschflasche ab und trocknete sie am dunklen Futter meines Mantels ab, wo die Schmierspuren nicht zu sehen sein würden. Im Garten liefen Menschen hin und her, und ihre Schatten huschten wie Phantome nur wenige Zentimeter von meinem Versteck entfernt über die Gartenwege. Warum machten sie kein Geräusch? Waren es wirklich Menschen - oder Schatten, die ich irgendwie durch mein Sakrileg geweckt hatte?
Dann rief eine der Gestalten etwas; eine andere antwortete. Ich begriff dumpf, dass die Läufer keinen Lärm erzeugten, weil sie barfuß waren und ich Ohrensausen hatte. Kalter Schweiß prickelte in meinem Gesicht, und meine Hände waren so taub, dass es nicht nur an der Kälte liegen konnte.
»Beauchamp, du Idiotin«, dachte ich bei mir. »Gleich fällst du in Ohnmacht! Setz dich hin!«
Das musste ich gerade noch geschafft haben, denn als ich kurz darauf zu mir kam, lag ich halb an die Mauer gelehnt unter der Himbeere auf dem Boden. Der Gemüsegarten schien jetzt voller Leute zu sein; die torkelnden, bleichen Gestalten der Gäste und Bediensteten waren in ihren Hemden so schlecht auseinander zu halten wie Gespenster.
Ich wartete noch einige Atemzüge ab, um sicherzugehen, dass ich wieder ganz bei mir war, dann stand ich ungeschickt und schwankend auf und trat mit der Tasche in der Hand auf den dunklen Pfad.
Die erste Person, die ich sah, war Major MacDonald, der auf dem Weg stand und zusah, wie der Schuppen abbrannte. Seine weiße Perücke glänzte im Schein des Feuers. Ich packte ihn am Arm, und er erschrak heftig.
»Was ist denn hier los?«, fragte ich, ohne mir die Mühe zu machen, mich zu entschuldigen.
»Wo ist Euer Mann?«, sagte er gleichzeitig mit mir und blinzelte auf der Suche nach Jamie an mir vorbei.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich nur zu wahrheitsgemäß. »Ich bin auf der Suche nach ihm.«
»Mrs. Fräser! Geht es Euch gut, Teuerste?« Lloyd Stanhope tauchte an meiner Seite auf. In seinem Nachthemd sah er aus wie ein ziemlich aufgeregtes, gekochtes Ei, denn ohne Perücke war sein glatter Schädel überraschend rund und blass.
Ich versicherte ihm, dass es mir wunderbar ging, was inzwischen auch der Wahrheit entsprach. Erst jetzt, als ich Stanhope sah und feststellte, dass die restlichen anwesenden Herren sich zum Großteil in einem ähnlich unbekleideten Zustand befanden, fiel mir auf, dass der Major vollständig angezogen war, von der Perücke bis hin zu den Spangenschuhen. Mein Gesicht muss sich verändert haben, als ich ihn musterte, denn ich sah, wie er die Augenbrauen hochzog und seinen Blick von meinem zusammengebundenen Haar bis zu den Schuhen an meinen Füßen wandern ließ, weil er ganz offensichtlich bemerkte, dass dasselbe auch für mich galt.
»Ich habe gehört, wie jemand ›Feuer‹ gerufen hat und dachte, es könnte jemand verletzt sein«, sagte ich kühl und hob meine Tasche. »Also habe ich meine Ausrüstung mitgebracht. Wisst Ihr, ob irgendjemand zu Schaden gekommen ist?«
»So weit ich -«, begann MacDonald, doch dann sprang er erschrocken zurück und griff nach meinem Arm, um mich zurückzureißen. Das Dach gab mit einem tiefen Seufzer nach, und die Funken stoben hoch in die Luft, bevor sie sich über die Menge im Garten ergossen.
Alle Welt hielt hörbar die Luft an und wich unter lautem Rufen zurück. Dann folgte eine jener kurzen, unerklärlichen Pausen, in denen eine ganze Menschenansammlung plötzlich zur selben Zeit verstummt. Das Feuer brannte immer noch mit Geräuschen, wie wenn man Papier zusammenknüllt, doch darüber hinaus konnte ich in der Ferne jemanden rufen hören.
Es war eine Frauenstimme, schrill und rau, aber kräftig und voller Wut.
»Mrs. Cameron!«, rief Stanhope aus, doch der Major war bereits im Laufschritt zum
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