Das Flammende Kreuz
hoch und ergriff seine Teetasse.
»Da ist so vieles geschehen, Tante Jocasta«, sagte er trocken. »Aber ich vermute, du meinst, was mit Vater Kenneth geschehen ist?«
»Genau.« Sie streckte automatisch die Hand aus, und Ulysses hielt ihr eine frische Tasse hin. »Hast du mir nicht erzählt, dieser Lillywhite hätte gesagt, der Priester sollte daran gehindert werden, ›Zeremonien‹ zu vollziehen?«
Jamie nickte und schloss kurz die Augen, als er einen Schluck Tee trank.
»Aye, das hat er. Also - glaubst du, es war deine Vermählung mit Duncan, die er gemeint hat? Dass das die ›Zeremonie‹ war, die es zu verhindern galt?«
Meine Kopfschmerzen wurden immer schlimmer. Ich drückte auf den Punkt zwischen meinen Augenbrauen; meine Finger waren heiß von der Teetasse, und die Wärme war wohltuend.
»Eine Sekunde«, sagte ich. »Willst du damit sagen, jemand wollte verhindern, dass deine Tante Duncan heiratet, und beim gathering ist ihm das auch gelungen - aber dann ist ihm keine Methode eingefallen, wie er es jetzt verhindern könnte, und deshalb hat er versucht, Duncan umzubringen?« Meine Stimme klang genauso erstaunt, wie Duncan aussah.
»Ich will gar nichts sagen«, sagte Jamie und betrachtete Jocasta interessiert, »aber ich habe das Gefühl, meine Tante möchte genau das andeuten.«
»Genau«, sagte sie ruhig. Sie trank ihren Tee aus und stellte die Tasse mit einem Seufzer hin. »Ich will meinen Stellenwert ja nicht überschätzen, Neffe - aber es ist nun einmal so, dass ich seit Hectors Tod ständig Heiratsanträge bekomme. River Run ist ein wertvolles Anwesen, und ich bin eine alte Frau.«
Einen Moment herrschte Schweigen, während wir diese Worte verdauten. In Duncans Gesicht spiegelten sich Beklommenheit und Entsetzen wider.
»Aber -«, sagte er und begann leicht zu stottern, »aber-aber - wenn es so war, Mac Duhh , warum hat er dann gewartet?«
»Gewartet?«
»Aye.« Er sah sich Verständnis heischend am Tisch um. »Seht ihr, wenn jemand die Hochzeit beim gathering verhindern wollte, gut und schön. Aber das ist vier Monate her, und niemand hat mir seitdem ein Haar gekrümmt. Ich bin meistens allein zu Pferd unterwegs; es wäre doch wohl ein Leichtes, mir auf der Straße aufzulauern, wenn ich in Geschäftsdingen unterwegs bin, und mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen.« Sein Tonfall war ganz sachlich, aber ich bemerkte, wie Jocasta bei dieser Vorstellung ein Schauer durchfuhr.
»Warum sollte er also gewartet haben, bis wir schon quasi vor dem Traualtar standen und noch dazu Hunderte von Leuten hier waren?«
»Aye, nun ja, da hast du Recht, Duncan«, gab Jamie zu.
Roger war diesem Wortwechsel gefolgt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Kinn in den Händen. Jetzt richtete er sich auf.
»Ich kann mir einen Grund vorstellen«, sagte er. »Der Priester.«
Alle starrten ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen an.
»Der Priester war hier«, erklärte er. »Wenn es bei der ganzen Sache um River Run geht, dann reicht es nicht, nur Duncan aus dem Weg zu räumen. Nach seinem Tod stünde der Mörder ja wieder ganz am Anfang - Jocasta wäre zwar nicht mit Duncan verheiratet, aber sie wäre genauso wenig mit ihm verheiratet, und er hätte keine Möglichkeit, Druck auf sie auszuüben.«
Er hob einen Finger. »Aber - wenn der Priester hier ist und darauf eingestellt ist, eine private Zeremonie abzuhalten... dann ist es einfach. Unser Mörder räumt Duncan aus dem Weg - auf eine Weise, die auf einen Selbstmord oder Unfall hindeutet -, rauscht hinauf in Jocastas Gemächer und zwingt den Priester mit vorgehaltener Pistole, die Trauung zu vollziehen. Sämtliche Sklaven und Gäste sind mit Duncan beschäftigt, niemand kann
Einwände erheben oder sich einmischen. Das Bett ist gleich hier -« Er wies auf das große Himmelbett, das durch die Schlafzimmertür zu sehen war. »Er kann Jocasta hinbringen und die Ehe mit Gewalt vollziehen... und fertig ist die Kiste.«
Bei diesen Worten bemerkte Roger Jocastas offenen Mund und Duncans verblüffte Miene und begriff, dass dies nicht nur eine interessante Theorie war. Er lief puterrot an und räusperte sich.
»Äh... ich meine... es wäre ja nicht das erste Mal.«
Jamie hustete und räusperte sich ebenfalls. Es wäre in der Tat nicht das erste Mal gewesen. Sein eigener, skrupelloser Großvater hatte seinen gesellschaftlichen Aufstieg in die Wege geleitet, indem er die ältere, reiche, verwitwete Lady Lovat gewaltsam heiratete und sie prompt zum Vollzug der Ehe
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