Das Flammende Kreuz
nickte beifällig, weil Jamie das Szenario so schnell erfasst hatte.
»Aye. Aber es gehörte keine große Meisterleistung dazu, an zerstampftes Glas zu gelangen - wie viele Weinkelche und Gläser waren hier im Lauf des Tages unterwegs? Man brauchte ja nur eines fallen zu lassen und es zu zertreten, und voila.«
Selbst das wäre möglicherweise gar nicht nötig gewesen; nach den Hochzeitsfeierlichkeiten waren die Wege und die Terrasse mit Glassplittern übersät
gewesen. Ich selbst hatte ja ein Glas fallen gelassen, als mich Philip Wylie überraschte.
Ich wandte mich an Ulysses.
»Bleibt die Frage, wie ihr das Glas eingeflößt wurde. Weißt du, was Betty zu essen oder zu trinken bekommen hat, Ulysses?«
Das Gesicht des Butlers zog sich in Falten, wie wenn ein Stein in dunklem Wasser Wellen wirft.
»Dr. Fentiman hat ihr Gewürzmilch verordnet«, sagte er langsam. »Und etwas Porridge, falls sie wach genug war, um ihn zu schlucken. Die Milch habe ich selbst gemacht und Mariah gebeten, sie ihr hinaufzubringen. Den Porridge habe ich bei der Köchin bestellt - aber ich weiß nicht, ob Betty ihn gegessen hat oder wer ihn ihr gebracht hat.«
»Hm.« Jocasta spitzte die Lippen und runzelte die Stirn. »In der Küche ging es mit Sicherheit drunter und drüber. Und bei der Menschenmenge... nun, wir können Mariah und die anderen fragen, aber es würde mich nicht überraschen, wenn sie sich nicht einmal mehr daran erinnern können, die Sachen überhaupt nach oben gebracht zu haben, geschweige denn daran, ob jemand sich daran zu schaffen gemacht hat. Es kann ja nicht mehr als ein paar Sekunden in Anspruch genommen haben, die Sklavin abzulenken und das Glas in den Brei zu rühren... Sie machte eine abwinkende Handbewegung, die ausdrückte, wie skandalös einfach es war, einen Mord zu begehen.
»Oder es hätte jemand unter dem Vorwand, nach ihr sehen zu wollen, auf den Speicher gehen und ihr etwas Trinkbares einflößen können, worin das Glas enthalten war«, meinte ich. »Gewürzmilch wäre perfekt. Hier unten war zwar viel Verkehr, aber Betty ist zwischen Fentimans Visite und dem Zeitpunkt, als die anderen Sklaven zu Bett gegangen sind, über lange Zeit allein dort oben gewesen. Es ist sehr gut möglich, dass jemand ungesehen bei ihr gewesen ist.«
»Sehr ordentlich, Inspektor Lestrade«, sagte Brianna sotto voce zu Roger. »Aber es gibt keinen Beweis, oder?«
Jocasta und Duncan saßen wie versteinert nebeneinander. Dann jedoch holte Jocasta tief und hörbar Luft, offenbar, um sich zur Entspannung zu zwingen.
»Das stimmt«, sagte sie. »Es gibt keinen Beweis. Du kannst dich nicht zufällig daran erinnern, dass Betty dir einen Becher Punsch angeboten hat, oder, a dhuine? «
Duncan kaute einen Moment heftig auf seinem Schnurrbart herum und dachte konzentriert nach, doch dann schüttelte er den Kopf.
»Schon möglich, dass sie es getan hat... a bhean . Vielleicht aber auch nicht.«
»Nun denn.«
Alle verstummten, während Ulysses schweigend um den Tisch schritt und aufräumte. Schließlich seufzte Jamie tief und richtete sich auf.
»Nun gut. Dann sind da noch die Ereignisse der letzten Nacht. Wir sind uns doch einig, dass der Ire, der in deine Schlafkammer eingedrungen ist, Stephen Bonnet war, Tante Jocasta?«
Briannas Hand machte eine ruckartige Bewegung, und ihre Teetasse landete scheppernd auf dem Tisch.
»Wer?«, sagte sie heiser. »Stephen Bonnet - hier?«
Jamie sah mich stirnrunzelnd an.
»Ich dachte, du hättest es ihr gesagt, Sassenach.«
»Wann denn?«, sagte ich gereizt. »Ich dachte, du hättest es ihr gesagt«, sagte ich an Roger gewandt, der nur versteinerten Gesichtes mit den Achseln zuckte. Ulysses hatte sich mit einem Tuch über den Tisch gebeugt und wischte den Tee auf. Brianna war weiß im Gesicht, schien jedoch ihre Selbstkontrolle zurückerlangt zu haben.
»Nicht so wichtig«, sagte sie. »Er war hier? Letzte Nacht?«
»Aye, so war es«, sagte Jamie widerstrebend. »Ich habe ihn gesehen.«
»Dann ist er der Dieb gewesen, der hinter dem Gold her war - oder einer von ihnen?« Brianna langte nach einem der Silberbecher mit dem Portwein und trank ihn leer, als wäre es Wasser. Ulysses bekam kugelrunde Augen, beeilte sich jedoch, den Becher wieder zu füllen.
»Es sieht ganz so aus.« Roger nahm sich ein Stückchen Kuchen, wobei er Briannas Blick sorgsam auswich.
»Woher wusste er von dem Gold, Tante Jocasta?« Jamie lehnte sich zurück, die Augen halb geschlossen, um sich zu
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